Kriegsdenkmäler: Fragwürdige Erinnerung

Nach 1918 sind in ganz Österreich tausende Denkmäler in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und seine Opfer errichtet worden. Ein Grazer Historiker untersuchte an ihrem Beispiel die Denkmalkultur des 20. Jahrhunderts.

Am 28. Juli 1914 hat Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärt und damit den Auftakt zum Ersten Weltkrieg gegeben - dem wollen etliche Veranstaltungen, Ausstellungen und Publikationen, die sich dem laufenden Gedenkjahr widmen, durchaus Rechnung tragen. Dennoch bleibt der Eindruck, dass das Thema in Österreich ein stiefmütterliches Dasein fristet - mehr dazu in Österreichs Krampf mit dem Gedenkjahr (news.ORF.at).

„Tapfere Soldaten in treuer Pflichterfüllung“

Was die Denkmalkultur des 20. Jahrhunderts angeht, dominieren heroisierende Darstellungen, während Trauer, Verlust und Kriegsgegnerschaft nur vereinzelt thematisiert wurden. Alleine in der Steiermark sind rund 600 Kriegerdenkmale über das Land verteilt, österreichweit wurde spätestens in den 50er-Jahren in nahezu jeder Gemeinde ein Denkmal als Erinnerungszeichen für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges errichtet - oder das Denkmal des Ersten Weltkrieges erweitert, so der Grazer Zeithistoriker Werner Suppanz: „Tapfere Soldaten, die in Treue und Pflichterfüllung ihr Leben ließen - andere Auslegungen der Vergangenheit existierten praktisch nicht.“

Exponate Ausstellung

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Die Zeichensetzungen sollten zum größten Teil als Monumente der Sinngebung des Krieges und seiner Opfer verstanden werden. „Lediglich dort, wo die Sozialdemokratie dominierte - etwa in Wien oder auch in den obersteirischen Industriegebieten - habe auch ein kriegsverurteilender, ablehnender Aspekt zum Ausdruck kommen können“, so Suppanz.

Kontroversen und Widerspruch

Große Kontroversen und heftigen Widerspruch habe beispielsweise Anton Hanaks Denkmal am Wiener Zentralfriedhof mit der Darstellung einer klagenden Mutter (1925) ausgelöst: „Argumentiert wurde, dass die Betonung von Trauer und Verlust als Folge des Krieges die Heldenhaftigkeit der Soldaten sinnlos erscheinen lasse“, so Suppanz. Als „völlig unakzeptabel“ wurde auch das Wotruba-Denkmal „Mensch verdamme den Krieg“ empfunden - es wurde 1932 am Friedhof von Donawitz aufgestellt, von den Nazis später abgetragen und 1988 in Leoben neu errichtet.

Während die frühen Denkmäler hauptsächlich durch das Engagement von Vereinen und Verbänden entstanden und staatliche Initiativen kaum existierten, versuchte der Austrofaschismus, Mitte der 30er-Jahre eine „gesamtstaatlich verbindliche Erzählung über den Ersten Weltkrieg“ durchzusetzen: „1934 wurde das Heldendenkmal mit der Figur des Toten Soldaten im Äußeren Burgtor in Wien enthüllt“, erläuterte Suppanz.

„Beide Weltkriege eingeebnet“

Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die kollektive Erinnerung an den Ersten Weltkrieg im öffentlichen Raum durch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg „überschrieben“ worden, wie es Suppanz formuliert: Die Denkmäler seien meist kurzerhand um die Jahreszahlen 1939 - 1945 erweitert, der Blick auf die aktuell Gefallenen gelenkt worden. Aus Sicht des Grazer Zeithistorikers fand damit eine „problematische Einebnung der beiden Weltkriege“ statt.

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