Dschihadistenprozess: Moschee im Mittelpunkt

In Graz ist am Freitag der Prozess gegen sechs mutmaßliche Dschihadisten fortgesetzt worden: Dabei wurden Zeugen zu Organisation und Vorträgen in einer Grazer Moschee befragt; für Aufregung sorgte zudem eine Dolmetscherin.

Drei Männern und einer Frau wird das Verbrechen der terroristischen Vereinigung vorgeworfen, zwei Frauen müssen sich wegen Falschaussage verantworten - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016), in Zweiter Dschihadistenprozess fortgesetzt (8.3.2016) und in Dschihadistenprozess: „Moscheesüchtig“ (9.3.2016). Der 42-jährige Hauptangeklagte war Prediger in einer Grazer Moschee und soll auf diese Weise Kontakte geknüpft haben.

Keiner hat etwas gesehen oder bemerkt

Am Freitag wurden nun mehrere Zeugen befragt: Der frühere und der aktuelle Obmann des Grazer Glaubensvereins sowie der Buchhalter mussten sich den Fragen des Gerichts in puncto Einnahmen und Spenden stellen, konnten oder wollten aber nur wenige detaillierte Angaben machen. Vor allem bei den Spenden, die an angeblich anerkannte Hilfsfonds ins Ausland geschickt wurden, hakte der Staatsanwalt mehrmals nach: „Kann es nicht sein, dass das Geld an den IS ging, der es statt für Kinder für Waffen verwendete?“

Von Spenden, die an einen Kontaktmann in die Türkei nahe der syrischen Grenze gegangen sein sollen, wollte ebenfalls keiner der Zeugen etwas wissen. Dass der 42-jährige Imam in der Grazer Moschee radikalisiert hatte und junge Männer ermutigte, in den Dschihad zu ziehen, wollte keiner wahrgenommen haben. „Warum gehen dann aber von so einem kleinen Verein fünf, sechs oder sieben Männer nach Syrien, und drei davon sind nun tot?“, fragte der Staatsanwalt. „Der Verein ist ein öffentlicher Platz, und das sind erwachsene Männer“, versuchte der frühere Obmann zu erklären.

Wirbel um Dolmetscherin

Für Aufsehen sorgte die Dolmetscherin für die tschetschenische Sprache: Als ein Zeuge und ehemaliger Verdächtiger befragt werden sollte, erklärte die Frau, dass es sich um ihren Ehemann handle und der derzeit in Russland sei. Das Gericht sei aber informiert worden, dass er am Freitag nicht kommen kann. Die Dolmetscherin hatte zuvor mehrere Aussagen von Zeugen übersetzt. „Es geht um den Anschein der Befangenheit“, warnte der Staatsanwalt, unterstrich aber, wie schwer es sei, einen Tschetschenischdolmetscher zu bekommen: „Die anderen trauen sich alle nicht“, sagte er.

Die Dolmetscherin dagegen hatte offenbar keine Angst zu übersetzen, fiel aber auf, weil sie mit manchen der rund 20 muslimischen Zuhörern in der Verhandlungspause gesprochen hatte. Sie gestand ein, dass ihr Ehemann ebenfalls in der Grazer Moschee war, das Verfahren gegen ihn aber eingestellt worden war. „Das hätten Sie früher sagen müssen“, sagte der Ankläger. Von da an wurde nur noch die Dolmetscherin für Russisch für die Übersetzungen herangezogen, denn die Zeugen tschetschenischer Herkunft könnten auch diese Sprache, begründete das Gericht. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier: Er wurde - nicht rechtskräftig - zu acht Jahren Haft verurteilt - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft und in Dschihadistenprozess: „Urteil sehr streng“. Im dritten - und größten - Prozess stehen ein mutmaßlicher „Hassprediger“ und ein mutmaßlicher IS-Kämpfer vor Gericht, dieses Verfahren wurde für mindestens sechs Monate vertagt - mehr dazu in Grazer Dschihadistenprozess wurde vertagt (29.2.2016).