Das war Tag fünf im Amokfahrerprozess

In Graz ist am Montag der Prozess gegen den Grazer Amokfahrer fortgesetzt worden. Zeugen schilderten, wie sie die Horrorfahrt erlebt hatten, ein Sachverständiger bescheinigte dem 27-Jährigen eine „paranoide Schizophrenie“.

Liveticker aus dem Gerichtssaal

steiermark.ORF.at berichtete via Liveticker direkt aus dem Gerichtssaal: Das war Tag fünf im Grazer Amokfahrerprozess

Schon an den letzten beiden Verhandlungstagen schilderten zahlreiche Zeugen, was sie an diesem 20. Juni in der Grazer Innenstadt erlebt hatten. Dabei wurde deutlich, dass auch jene, die körperlich unversehrt geblieben waren, immer noch an den psychischen Folgen leiden. Immer wieder brachen Zeugen in Tränen aus, weil sie nach wie vor nicht begreifen können, wie nahe sie selbst an diesem Vormittag dem Tod gewesen waren. Andere hatten neben sich den vierjährigen Bub oder die 53-jährige Frau sterben sehen und konnten nur mit Mühe darüber reden. Die Fassungslosigkeit und die Wut über das Gesehenen müssten viele noch in Therapien aufarbeiten.

„Plötzlich lag ich am Boden“

Am Montag erzählte nun eine Zeugin, dass sie vor einem Schuhgeschäft von dem Geländewagen erfasst worden war und nur noch weiß, dass sie plötzlich am Boden lag, ohne Brille und ohne Schuhe - zwölf Knochenbrüche und sieben Monate Krankenstand waren das Resultat. Ein Mann wurde vor einem Cafe niedergestoßen und von den Hinterreifen überfahren: „Ich hatte einen Reifenstreifen auf meinem Oberschenkel“, beschrieb er vor Gericht. Er lag am Boden „und sah plötzlich den Hubschrauber am Himmel.“

Ein Stück der Amokfahrt

Das Video zeigt Bilder einer Überwachungskamera - es verdeutlicht die Geschwindigkeit, mit der der Amokfahrer durch Graz raste.

Schwer verletzt wurde auch eine ältere Frau, die nach eigenen Angeben immer noch Angst hat - sie wurde ebenfalls von dem Wagen erfasst und brach sich unter anderem beide Beine und das Brustbein. Zehn Operationen musste sie über sich ergehen lassen, vier Monate war sie im Spital. „Arbeiten kann ich nicht mehr“, meinte die ehemalige Hausbesorgerin bedauernd, auch das Radfahren habe sie aufgegeben.

Ein junge Kellnerin sah bei ihrer Arbeit in einem Cafe den Geländewagen auf sich zurasen, konnte aber ausweichen. „Hatten sie das Gefühl, er hat den Gastgarten anvisiert?“, fragte der Richter. „Ja, er hätte auch rechts vorbeifahren können“, war die Befragte überzeugt.

Der Amokfahrer wiederum saß auch am Montag - wie schon an den anderen Verhandlungstagen - meist regungs- und emotionslos da, gab immer dieselben Antworten: Es tue ihm leid, was passiert sei, er könne sich nicht erinnern.

Gutachter: „Paranoide Schizophrenie“

Dann wurde die Aussage des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann überraschend vorgezogen - er bescheinigte dem 27-Jährigen eine „paranoide Schizophrenie“: Der Betroffene leide an einer schweren Geisteskrankheit und sei daher nicht zurechnungsfähig.

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Dass der Amokfahrer etwas vortäusche, hielt der Gutachter für ausgeschlossen: Seiner Meinung nach leide der 27-Jährige an Verfolgswahn und habe auch Halluzinationen. Krankheitsbedingt ging ihm laut Hofmann auch das „Gefühl für Mitmenschen verloren“, die Amokfahrt sei dann ein „explosionsartiges Ausleben von Emotionen“ gewesen. Der Sachverständige betonte: „Diese Art von Störung kann man nicht spielen“.

Seine Schizophrenie-Diagnose sah Hofmann auch durch andere Ärzte bestätigt, da dem Amokfahrer nach der Tat schwere Medikamente gegen diese Krankheit verschrieben wurden: Bei ihm handle es sich „um eine sehr schlecht verlaufende Psychose, gesund wird der meiner Meinung nicht“, äußerte sich der Arzt in aller Deutlichkeit.

„Zu 100 Prozent sicher“

Er sei sich seiner Diagnose „100 Prozent sicher“, erklärte Hofmann, trotzdem „sehe ich das Ergebnis völlig offen, denn die Geschworenen entscheiden“. Und zu den Laienrichter meinte er: „Ich kann nur meine klinische Sicht darstellen, damit Sie entscheiden können. Die Sicht des Arztes und die Beweiswürdigung sind aber zwei verschiedene Dinge.“

Aussage eines Justizwachebeamten überraschte

Am Nachmittag überraschte dann die Aussage eines Justizwachebeamten, der mit dem Amokfahrer immer wieder zu tun hatte: Für die Dauer des Prozesses bzw. die Zeit der Prozesspausen ist dieser ja in der Sigmund-Freud-Klinik untergebracht. Laut der Zeugenaussage habe der 27-Jährige auf der Fahrt vom Landesgericht zum Krankenhaus nur gelacht; am Wochenende hätten mehrere Insassen des Spitals im Park dann Musik gehört und geraucht - der Amokfahrer sei während eines Spazierganges mit dem Justizwachebeamten auf die Gruppe zugesteuert, habe zu den Takten der Musik mitgewippt, gelacht und viel gesprochen.

Der Justizwachebeamte sagte aus, er habe den Eindruck gehabt, der Amokfahrer sei stolz auf die Tat gewesen, er habe so etwas ähnliches gesagt wie: Ich habe kein Problem mit der Tat - den konkreten Wortlaut konnte der Beamte und auch einer seiner Kollegen aber nicht wiedergeben. Damit konfrontiert, sagte Gutachter Hofmann: Er könne sich das auch nicht erklären.

Gutachter uneins

Bezüglich der Zurechnungsfähigkeit sind sich die drei psychiatrischen Gutachter nicht einig: Während Peter Hofmann den Betroffenen für nicht zurechnungsfähig hält, ist sein Kollege Manfred Walzl anderer Meinung und stufte ihn als zurechnungsfähig ein; ein dritter Sachverständiger, Jürgen Müller, schloss sich Hofmanns Meinung an.