Überraschende Wende im Böllerprozess

Im Prozess rund um die Böllerexplosion von Kapfenstein sind am Donnerstag acht Urteile gefallen: Alle Angeklagten sind schuldig gesprochen worden, zwei wurden wegen Tatbegehungsgefahr sofort festgenommen.

Alle acht Beschuldigten waren wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung schuldig gesprochen worden. Der Auftraggeber erhielt acht Jahre unbedingter Haft, die übrigen zehn Monate bis sechs Jahre, teilweise bedingt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

In Verhandlungspause versucht, Böller zu verstecken

Zwei gerade erst verurteilte südsteirische Händler wurden direkt im Anschluss von der Polizei festgenommen, weil sie in der Mittagspause der Verhandlung mehrere Tausend illegale Böller auf ihrem Firmengelände verstecken wollten. Die Festnahme hatte der Staatsanwalt wegen Tatbegehungsgefahr beantragt.

Die beiden zu jeweils sechs Jahren Haft verurteilten Männer - Vater und Sohn - wollten noch am Donnerstag, dem Tag der Urteilsverkündung, Kisten mit illegalen Knallkörpern verstecken. Doch die Polizei wartete bereits und beobachtete das Treiben. In einem Container wurden rund 6.000 Böller sichergestellt, 18 weitere Container müssen noch durchsucht werden. Die Männer wurden von der Polizei aus dem Verhandlungssaal abgeführt.

Vater und Sohn sofort tot

Am 17. November 2014 kam es gegen 18.30 Uhr zur Detonation in einem Kapfensteiner Wirtschaftsgebäude. Ein Vater und sein Sohn sind auf der Stelle tot, der zweite Sohn überlebt, weil er kurz zuvor die Scheune verlassen hat. Gebäude im Umkreis von zwei Kilometern werden beschädigt.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass sich in dem weggesprengten Gebäude ein umfangreiches Sprengstofflager befunden hat. Tage später stellen Ermittler in den Trümmern mehr als 6.000 Böller sicher - mehr dazu in Kapfenstein: Brüder bunkerten Tausende Böller (19.11.2014)

Dichtes Netz um illegale Böllerproduktion

Im Laufe des Prozesses wurde deutlich, wie dicht und undurchschaubar das Netz war, das die Angeklagten im Laufe der Jahre aufgebaut hatten - mehr dazu in Böllerprozess: Tödliches „Halbwissen“ (5.10.2016), Böllerprozess: Zeugen sahen nur Feuerball (6.10.2016) und Böllerprozess auf November vertagt (7.10.2016). Es geht um die Herstellung, die Lagerung und den Weitertransport von pyrotechnischen Gegenständen - alles auf illegale Weise und ohne entsprechende Genehmigungen.

Explosion in Kapfenstein

APA/Erwin Scheriau

Die Böller-Explosion von Kapfenstein kostete im November 2014 zwei Männern - Vater und Sohn - das Leben

Die Beschuldigten kannten einander vor Prozessbeginn teilweise gar nicht und traten in unterschiedlichen Funktionen auf. Insgesamt neun Personen waren angeklagt; ein ehemaliger Polizist und Pyrotechniker wurde bereits wegen Falschaussage und versuchter Begünstigung zu vier Monaten bedingt und 7.200 Euro Geldstrafe verurteilt. Am Donnerstag sind die Urteile für die restlichen acht Angeklagten gefallen.

Letzte Zeugen befragt

Nach eineinhalb Monaten Verhandlungspause waren am Donnerstagvormittag jene beiden Zeugen befragt worden, die beim letzten Prozesstermin nicht erschienen waren - mehr dazu in Zeugen nicht erschienen - Böllerprozess vertagt (29.11.2016). Dabei ging es um Böller, die zwei angeklagte Pyrotechnikhändler aus Spielfeld - Vater und Sohn - bei sich gelagert hatten und loswerden wollten.

Der Zeuge gab an, bis zu 20 Stück der illegal hergestellten Böller als Probestücke bekommen zu haben - lose verpackt in einem Karton. Wo genau die Böller produziert wurden, könne er nicht sagen, ein Geschäft sei aber ohnedies nicht zustande gekommen, „weil ich das Zeug nicht vertreibe und selber nicht mag“, wie der Zeuge sagte.

Bekommen habe er die Böller von einem Sprengstofflehrer, der sich wegen Gemeingefährdung verantworten musste, weil er die Böller laut Staatsanwalt nicht nur unsachgemäß transportiert, sondern sie durch das Überbringen auch in Verkehr gesetzt habe.

Versicherung forderte 25.000 Euro zurück

Eine weitere Zeugin, ebenfalls aus der Pyrotechnikbranche, gab an, einmal bei einem Vorschießen in der Steiermark dabei gewesen zu sein - dazu eingeladen habe einer der angeklagten Feuerwerkshändler aus Spielfeld. Sie habe auch illegal hergestellte Böller bezogen - jedoch ohne das zu wissen.

Als Privatbeteiligter hatte sich auch eine Versicherung angeschlossen - sie forderte 25.000 Euro zurück, die sie für den Gebäudeschaden nach der tödlichen Böllerexplosion gezahlt hatte. Einer der Angeklagten, ein Böllerabnehmer und Pyrotechnikhändler aus Spielfeld, wurde am Donnerstag außerdem mit seiner Homepage konfrontiert, auf der er laut Richterin immer noch Böller anbiete, um die es im Prozess geht: „Haben Sie ein Zertifikat dafür?“, fragte die Vorsitzende. „Ja, aber nicht mit“, so der Angeklagte, der angab, die Böller aus China importiert zu haben.

Staatsanwalt dehnte Anklage aus

Nach einer von der Richterin verordneten Pause hatte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer das „rücksichtslose Vorgehen der Angeklagten“ angeprangert. Er dehnte die Anklage aus, sodass sich die acht Angeklagten wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung verantworten mussten - darauf steht eine Strafe bis zu 15 Jahren Haft.

„In dieser Szene herrscht absolut kein Unrechtsbewusstsein, es ist nur auf den Profit angekommen“, war er überzeugt und schilderte das „rücksichtslose Vorgehen“ der Böllerhersteller, die sogar Kinder mithelfen ließen. Auch nach der verheerenden Explosion war die Gefahr im Bereich der Produktionsstätte noch hoch gewesen, „die Sicherheitskräfte mussten unter Einsatz ihres Lebens aufräumen“. Er forderte strenge Strafen, denn „wir wollen keine Verhältnisse wie in Asien oder Mexiko“.

„Er hat seinen besten Freund verloren“

Der Anwalt des Hauptangeklagten, eines ehemaligen Pyrotechnikhändlers, beteuerte, sein Mandant habe nichts mehr mit dieser Szene zu tun. „Er hat seinen besten Freund und dessen Vater verloren“, gab der Verteidiger zu bedenken.

Anschließend war der Anwalt der beiden Händler am Wort, der für seine Mandanten einen Freispruch forderte. Der einzige Belastungszeuge sei der Hauptangeklagte, dessen Glaubwürdigkeit dem Anwalt nicht ganz überzeugend schien. Die Händler und der Unternehmer hatten einen heftigen Streit, wie auch Telefonprotokolle bewiesen.

Vor Gericht saß auch eine Hilfskraft, die laut Verteidiger „nur einmal beim Einpacken geholfen hat“. Sie war die Lebensgefährtin des einen Toten „und wird darunter sowieso ein Leben lang zu leiden haben“. Sie kam als Einzige mit einer bedingten Strafe von zehn Monaten davon. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.