Höchststrafen bei IS-Prozess

Beim Grazer IS-Prozess um zwei Ehepaare sind am Freitag die Urteile gesprochen worden: Alle vier wurden wegen terroristischer Vereinigung und Quälens Unmündiger zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Den vier Angeklagten wurde vorgeworfen, vor drei Jahren mit ihren insgesamt acht Kindern nach Syrien gegangen zu sein, um dort die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen. Da dabei ihre Kinder auch Gewaltpropaganda ausgesetzt wurden, waren die Ehepaare auch wegen Quälens und Vernachlässigens von Unmündigen angeklagt - mehr dazu in IS-Prozess gegen Ehepaare: Kinder im Mittelpunkt (1.6.2017).

Neben diesen Vorwürfen, die alle betrafen, wurde einem 38-jährigen Angeklagten auch versuchter Mord angelastet: Als Scharfschütze soll er bei einer Kampftruppe des IS gewesen sein und einen Gegner schwer verletzt haben - mehr dazu in IS-Prozess gegen drei Ehepaare eröffnet (17.5.2017) und in IS-Prozess gegen Ehepaare fortgesetzt (30.5.2017).

„Was sie sagen, das stimmt nicht“

Am Freitag standen zunächst noch einmal die Befragungen der Kinder im Mittelpunkt des Prozesses: Sie schilderten darin ihr Leben im Kriegsgebiet, unter anderem in der schwer umkämpften Stadt al-Rakka, die als Hauptstadt des IS gilt und aus der gerade aktuell Tausende Zivilisten flüchten.

15 Monate waren die beiden Familien dort, die Kinder erzählten von Waffen, von Bomben, von Toten. Ihre Eltern schauten den Videos zu: die Väter nach vorne gebeugt, die Mütter mit starrem Blick. Auf die Frage, was er dazu sage, antwortete der Hauptangeklagte: „Was sie sagen, stimmt nicht.“ Dann sagte er: „Es geht mir nicht gut. Das Schlimmste war, als man dort auf mich geschossen hat.“ Zurückgeschossen will er aber nicht haben. Die Kleinen hätten, so der Mann, auch Zeiten durcheinandergebracht; außerdem habe er nie ein Sniper-Gewehr besessen, wie es eines der Kinder behauptet hatte.

Seine Lebensgefährtin sagte, sie sei betroffen. Wovon, fragte der Richter nach. „Von den Aussagen der Kinder, denn es war nicht so, wie sie es darstellen“, lautete die Antwort. Der zweite Vater sagte, sein Sohn müsse das alles aus Computerspielen haben, und seine Frau meinte, es tue ihr schon weh, schuld sei aber ihr Mann: „Er hat uns in die Sache hineingezogen.“

„IS kein Staat, sondern Mörderbande“

In seinem Schlussplädoyer betonte der Staatsanwalt dann, dass die Bedeutung des Verfahrens weit über den Prozess hinausgehe: „Der IS ist kein Staat, sondern eine Mörderbande. Es gehen nicht nur Menschen dorthin, um für diese mörderische Ideologie zu kämpfen, sie kommen auch wieder nach Österreich zurück“, sagte er - und meinte die vier Angeklagten, denen er unterstellte, auch nach ihrer Rückkehr gegen die Demokratie und für den IS zu sein, wobei er schon zu Beginn eine „strenge, wirklich harte Bestrafung“ für sie forderte.

„Terroristische Vereinigung beginnt hier“

Die Gefahr gehe bereits von bestimmten Glaubensvereinen in Österreich aus, die das Entstehen einer Parallelgesellschaft fördern würden: „Ich will nicht schon wieder diesen Kitsch hören, dass das nur arme Muslime sind, die man am Beten hindert“, wetterte der Ankläger: „Bei den Vereinen ist immer weggeschaut worden, weil man gesagt hat, das ist halt ihre Kultur. Aber die terroristische Vereinigung beginnt hier, wo kleine Kinder so erzogen werden.“

„Im Namen Gottes nicht jede Sauerei erlaubt“

Damit lenkte der Staatsanwalt die Aufmerksamkeit auf die Kinder - denn diese seien der Ideologie und auch ihren Eltern ausgeliefert, die er mitleidlos und teilnahmslos den Kindern gegenüber nannte. „Es kann nicht sein, dass man sich im Namen Gottes jede Sauerei erlauben darf“, formulierte er und betonte, die Eltern hätten mit den Gräuelvideos, die sie die Kinder hätten anschauen lassen, Gehirnwäsche an den Kindern betrieben, das sei ein „eklatanter Missbrauch“.

Dass ein Vater noch über die Verteidigung ein psychiatrisches Gutachten für sein Kind beantragt habe, weil das Kind kognitiv eingeschränkt sei, sei blanker Hohn. Die Väter seien Täter, die versuchten, sich als Opfer darzustellen, die Mütter Täterinnen, die als Erzieherinnen eine mörderische Ideologie vorgelebt hätten.

„Lehrstunde in reinstem Populismus“

Der Verteidiger der vierten Angeklagten, die als Einzige in allen Punkten geständig war, rügte den Vortrag als „Lehrstunde in reinstem Populismus“. Der Ankläger habe nur seine „von nur wenigen Fakten gedeckte Version“ präsentiert, er habe damit „kaum einen Bezug zu unserem Verfahren herstellen könne“. Seine Mandantin habe jedenfalls ihren Entschluss, mit den drei Kindern ihrem Mann nach Syrien zu folgen, „zutiefst bereut“.

Zehn bzw. neun Jahre Haft

Nach mehrstündiger Beratung wurden schließlich alle vier Angeklagten für schuldig befunden: Sie wurden wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation sowie Quälens von Unmündigen verurteilt - drei zur Höchststrafe von zehn Jahren, eine Beschuldigte erhielt neun Jahre. Der Erstangeklagte wurde vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen.

Alle vier Beschuldigten kündigten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, der Staatsanwalt kündigte im Fall des Mord-Freispruchs Nichtigkeitsbeschwerde an. Der Richter betonte, dass die Höchststrafen verhängt wurden, um zu zeigen, „dass der Staat Österreich so etwas nicht akzeptiert“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.