100 Tage ÖVP-FPÖ: Erhebungsdienst für Graz

Die schwarz-blaue Koalition in Graz hat eine erste Bilanz nach 100 Tagen ihrer „Agenda 22“ vorgelegt. Konkretere Fahrpläne für den Straßenbahn-Ausbau und den neuen Erhebungsdienst gegen Sozialleistungsmissbrauch wurden genannt.

„Die Konstellation passt, es hat noch keine Krise gegeben“, erklärten Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und sein Vize Mario Eustacchio (FPÖ) am Mittwoch vor Medienvertretern.

Von Doppelbudget bis „Mur-Masterplan“

In den vergangenen 100 Tagen sei viel geschafft worden, sagten Nagl und Eustacchio, etwa das neue Doppelbudget oder die Fixierung des Flächenwidmungsplans 4.0, das Projekt „Sauberkeitsoffensive“ mit zum Beispiel neuen Mähintervallen sei fast fertig. Für den sogenannten „Mur-Masterplan Graz-Mitte“, der durch den Bau des Kraftwerks nötig wird, werden noch Ideen gesammelt - Wassersportwelle und Kajak-Klubhaus sind zum Beispiel angedacht -mehr dazu in Neue Vorgaben für Grazer Gemeindewohnung und in Höhere Strafen bei „Kaugummi-Vergehen“ sowie in ÖVP und FPÖ wollen Graz sauberer machen.

Erhebungsdienst soll nach dem Sommer anlaufen

Aufhorchen ließ Eustacchio mit dem neuen Erhebungsdienst, der künftig im Strafamt angesiedelt werden soll und rund vier Posten stark sein wird: Dieser soll etwa überprüfen, ob Sozialleistungen wie die Mindestsicherung über Scheinadressen bezogen werden. „Es gibt Wohnungen, bei denen bis zu 70 Personen gemeldet sind“, sagten die Regierungspartner. Man wolle nachschauen, ob diese Leute tatsächlich dort leben, sonst können die Leistungen entzogen werden. Derzeit ist der Erhebungsdienst in der Planungsphase und soll nach dem Sommer anlaufen.

Mehr Ordnungswache im Gemeindebau

Schärfer überprüft werden solle künftig auch die Einhaltung der Hausordnung in Gemeindebauwohnungen durch die Ordnungswache, die aufgestockt wird, hieß es. „Es gab früher jedes Monat Leute, die es im Gemeindebau wegen der Nachbarn nicht mehr aushielten, aber es kam nicht zu Kündigungsverfahren“, erklärte Nagl. Das soll sich nun ändern: Jene, die dauernd die Hausordnung missachten, werden ihre Wohnung verlieren, kündigte die Stadtregierung an.

Start für Smart City-Bau in etwa zwei Jahren

In punkto Straßenbahnausbau Richtung Reininghaus und Smart City meinte Nagl, dass der Baubeginn in eineinhalb bis zwei Jahren zu erwarten sei. Linie 3 und 6 sollen jeweils eine hinter dem Bahnhof die Smart City anfahren, die andere den Campus der FH Joanneum quasi durchfahren und bis zur Schleife bei der ehemaligen Hummelkaserne führen. Bis Herbst sollen die Planungen für die beiden Linien fertig und eisenbahnrechtlich einzureichen sein, im Frühjahr sollen die Projekte im Gemeinderat bewilligt werden, so der Fahrplan.

Herrengasse: Planung für Herbst erwartet

Für die Entflechtung der Herrengasse, die nun über Neutorgasse, Belgiergasse und Vorbeckgasse führen soll, erwartet sich Nagl im Herbst eine Planung von Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) im Gemeinderat. Der Baubeginn könnte dann vielleicht noch in der laufenden Legislaturperiode sein. Kahr hält die Lösung zwar nur für die „zweitbeste Lösung“, erklärte aber am Mittwoch, dass auch sie das Projekt rasch anpacken will.

Opposition reagiert kritisch

Kein gutes Haar lässt die Opposition in Graz an 100 Tagen „Agenda 22“: Die Grünen sehen einen Schritt „zurück in die Vergangenheit“, die KPÖ meint, dass bei Sozialleistungen gespart werde, doch bei der Parteienförderung nicht, die SPÖ erkennt in der Agenda von ÖVP und FPÖ nur „hohle Phrasen, Überschriften und Allgemeinplätze“ und die NEOS sprachen von „Innovationslosigkeit und Selbstbedienung“.

Grüne: „Mit vollem Tempo Rückwärtsgang“

„ÖVP und FPÖ haben politisch mit vollem Tempo den Rückwärtsgang eingelegt“, bilanzierten die Grazer Grünen. Das Budget enthalte kein einziges neues Projekt, trage den Straßenbahnausbau zu Grabe und habe keine Antworten für schlechte Luftgüte, wachsenden Verkehr und zunehmende Armut. Dafür wurde die verpflichtende Frauenquote in Grazer Aufsichtsräten abgeschafft, der Zugang zu Gemeindewohnungen massiv erschwert und die Sozialcard demontiert.

„ÖVP und FPÖ zeigen mit diesem Vorstoß deutlich, mit welcher reaktionären Haltung sie die Stadt regieren und dass sie uns Frauen wohl am liebsten wieder hinter dem Herd sehen würden“, so Frauenstadträtin Tina Wirnsberger am Mittwoch.

KPÖ: Sozialabbau

Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) sprach von „Soziallabbau in fliederblau (die von der Koalition selbst gewählte Farbgebung, Anm.) und weniger Geld für sanfte Mobilität“: „ÖVP und FPÖ sagen, sie wollen mehr soziale Treffsicherheit - verzichten selbst aber auf nichts. So wurden die Entschädigungen für Aufsichtsratsvorsitzende verdoppelt, die Gagen für Politiker erhöht und die Kürzung der Parteienförderung abgesagt: In allen Ressorts wird wieder die fünf Prozent-Sperre eingeführt, nur nicht bei der Parteienförderung.“

Inzwischen seien die Straßenbahn-Verlängerungen nach Smart City und Reininghaus zwar außer Streit, die Finanzierung, für die sich Nagl selbst zuständig erklärt hatte, sei aber noch offen, so Kahr.

SPÖ: Wahres Gesicht gezeigt

Der Grazer SPÖ-Klubvorsitzende Michael Ehmann und sein Stellvertreter Gerald Haßler meinten, dass Schwarz-Blau sein wahres Gesicht gezeigt habe: „Unsozial, populistisch, wenig demokratisch, stillos.“ Die drei Straßenbahnprojekte würden sich nicht im Budget finden und seien vom Bürgermeister „fliegend“ angekündigt worden. „Auf diese Bilanz braucht sich Schwarz-Blau rein gar nichts einzubilden“, so Ehmann.

NEOS: Kein einziges mutiges Projekt

Niko Swatek, einziger NEOS-Gemeinderat in Graz, zufolge, habe die Agenda die Erwartungen erfüllt: „Der erdrückende Schuldenberg der Stadt wächst weiterhin an und dennoch gelang es nicht, ein einziges neues mutiges Projekt auf Schiene zu bringen.“ Überrascht hätten ÖVP und FPÖ lediglich bei der „raschen Umfärbung von Posten wie den Aufsichtsräten in der Stadt. Damit scheint die Stadt weiter als Selbstbedienungsladen der Parteien zu dienen.“