Doppelmord: Suche nach Täter weiter ohne Erfolg

Nach den tödlichen Schüssen auf seine Nachbarn läuft in Stiwoll die Suche nach dem mutmaßlichen 66-jährigen Schützen weiter auf Hochtouren. Der Mann wird von den Beamten als gefährlich eingestuft, die Polizei bietet Hundertschaften auf.

In Stiwoll herrscht Ausnahmezustand: Die Straßenkreuzungen sind mit schwerbewaffneten Polizisten gesichert, im Gemeindeamt tagt die Einsatzleitung, am Sportplatz starten und landen Hubschrauber, vermummte Cobrabeamte fahren mit gepanzerten Fahrzeugen durch den Ort.

Ein Ende ist nicht absehbar, so Polizeisprecher Markus Lamb: „Für die Menschen in der Gemeinde ist die Situation enorm belastend, viele haben Angst, dass der mutmaßliche Täter zurückkommt, es sind kaum Menschen auf den Straßen oder vor den Häusern. Das Kriseninterventionsteam des Landes hat mit acht Mitarbeitern im Gemeindeamt ein Zimmer bezogen und bietet dort der Bevölkerung Unterstützung an. Bei Bedarf machen die Mitarbeiter auch Hausbesuche.“

Anstrengungen nochmals verstärkt

Am Dienstag wurden die Anstrengungen noch einmal verstärkt: Dazu wurde die Zahl der Polizeikräfte auf mehrere hundert aufgestockt; Unterstützung kam vom Einsatzkommando Cobra, Einsatzeinheiten aus anderen Bundesländern und mehreren Hubschraubern.

Man gehe einerseits Hinweisen aus der Bevölkerung nach, andererseits durchkämme man Stück für Stück das Gelände, so Polizeisprecher Markus Lamb: „Bei der Durchsuchung von Objekten, Gebäuden bzw. auch von größeren Grundstücken ist es natürlich notwendig, diese mit dementsprechender Sorgfalt zu durchsuchen, was auch bedeutet, sie im Nachhinein dementsprechend zu sichern.“

Polizei veröffentlicht Faktencheck

Wo der Täter sich aufhält, ist unklar: Ein Hinweis, der ins niederösterreichische Amstetten führte, verlief ebenfalls erfolglos - mehr dazu in noe.ORF.at. Die steirische Polizei veröffentlichte indes einen Faktencheck auf Twitter, um die gesicherten Informationen rund um den Polizeieinsatz weiterzugeben:

Obduktionsergebnisse liegen vor

Der gesuchte 66-Jährige hatte am Sonntag mit einem Gewehr das Feuer auf seine Nachbarn eröffnet: Eine 55 Jahre alte Frau und ein 64-jähriger Mann starben, eine weitere Anrainerin wollte fliehen und wurde schwer verletzt, sie ist außer Lebensgefahr - mehr dazu in Zwei Tote: Fahndung ausgeweitet.

Das Obduktionsergebnis der Opfer macht noch einmal das Ausmaß der Bluttat sichtbar: Die 55-jährige Nachbarin wurde von insgesamt drei Projektilen tödlich getroffen, das zweite Todesopfer von zwei. Die schwer verletzte 68-Jährige wurde am Oberarm getroffen. Bei der Waffe des Verdächtigen handelte es sich - entgegen ersten Meldungen - nicht um ein Gewehr seiner Ehefrau, sondern um eine illegale Waffe - sie war nicht registriert. Das Kaliber wird von der Exekutive aus ermittlungstaktischen Gründen nicht veröffentlicht.

Fluchtauto am Montag im Wald entdeckt

Seit den Schüssen Sonntagfrüh wird nach dem Mann intensiv gesucht. Am Montag konnte die Polizei dann das Fluchtfahrzeug sicherstellen: Der Kleinbus wurde in einem Waldstück in Södingberg - in unmittelbarer Umgebung des Tatorts - gefunden.

Verdächtiger wird in Nähe des Tatorts vermutet

Laut Polizeisprecher Leo Josefus war das Auto versperrt. Die Spezialeinheit Cobra öffnete und durchsuchte es, fand jedoch nichts Auffälliges - weder der Gesuchte noch Waffen wurden darin entdeckt. Der Bewaffnete selbst ist noch auf der Flucht. Laut Josefus deutet einiges darauf hin, dass der mutmaßliche Schütze immer noch in der Nähe des Tatorts ist und Waffen bei sich hat - es wird um Vorsicht gebeten.

Karte zeigt Tatort und Fundort des Fluchtautos

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at

Der gesuchte Täter

Polizei

Der gesuchte Mann

Der Kindergarten und die Volksschule in Stiwoll bleiben bis auf weiteres geschlossen; zudem werden die Lehrer psychologisch geschult, um vorbereitet zu sein, wenn die Kinder später Fragen zu der Tragödie stellen.

Allerheiligenprozession abgesagt

Die Menschen im Ort kommen kaum aus ihren Häusern, viele brachten ihre Kinder in andere Orte; ein Kriseninterventionsteam ist im Einsatz. Die Allerheiligenprozession am Mittwoch wurde abgesagt, nur der Gottesdienst wird stattfinden, so Bürgermeister Alfred Brettenthaler: „Die Leute haben Angst, wir wissen nicht, wie es weitergeht, wir sind dabei, dass wir die Einsatzkräfte unterstützen. Es gibt sehr viel Emotion, dass wir das alle zusammen schaffen, und wir hoffen, dass wir gleich einmal zu einem Ende kommen.“

Schon am Montag sprach Brettenthaler von „blankem Entsetzen“ in der 730-Seelen-Gemeinde: Er selbst habe nie damit gerechnet, dass so etwas in seiner Gemeinde - eine der kleinsten in Österreich - passieren würde.

„Die Leute haben einfach Angst“

Ein ähnliches Bild wie in Stiwoll zeigt sich in den Nachbargemeinden: In Södingberg blieben Schulen und Kindergarten ebenfalls geschlossen, auch das Gemeindeamt sperrte am Montag nicht auf: „Die Leute in der Gemeinde haben einfach Angst“, schilderte Bürgermeister Johann Hiden. Man müsse befürchten, dass der Mann nicht vorhersehbar reagiert, „wenn er zum Beispiel in die Enge getrieben wird“, schätzte das Gemeindeoberhaupt die Situation ein.

Keine „Todesliste“, aber „Gefährdetenliste“

Die Existenz einer in Medien kursierenden angeblichen „Todesliste“ des Verdächtigen wurde von der Landespolizeidirektion Steiermark am Dienstag nicht bestätigt: Eine derartige Liste sei definitiv nicht gefunden worden. Es existiert aber eine „Gefährdetenliste“, die von der Polizei selbst erstellt wurde - darauf zu finden sind unter anderem die Staatsanwaltschaften Graz, Klagenfurt, Leoben, diverse Richter und Bezirkshauptmannschaften, andere Institutionen und auch Betriebe, mit denen der Mann in Streit war - mehr dazu in Doppelmord: Verdächtiger „kein Unbekannter“: Sie alle werden von extra abgestellten Beamten beschützt.