Doppelmord: „Gutachter sind keine Hellseher“

Gerichtsgutachter Manfred Walzl hat mehrere Gutachten über den flüchtigen mutmaßlichen Doppelmörder von Stiwoll erstellt - immer mit dem Ergebnis, dass der 66-Jährige nicht gefährlich sei. Am Montag verteidigte er seine Expertisen.

Der Doppelmord von Stiwoll

Im Interview mit der APA erklärte Walzl, dass er insgesamt drei Gutachten über den mutmaßlichen Doppelmörder erstellt habe: ein erstes 2013 im Auftrag des Landesgerichts Leoben, ein zweites - ein Aktengutachten - 2014 im Auftrag der Staatsanwaltschaft Leoben sowie ein drittes 2016. Bei den ersten beiden sei nicht die Frage der Gefährlichkeit gestellt worden, weil auch der Strafrahmen unter einem Jahr lag - „und von selbst darf ich so etwas auch nicht auf das Tapet bringen“, betonte Walzl; dennoch habe er ausdrücklich in den Expertisen festgehalten, dass der Mann dringend „ärztliche Hilfe“ benötige.

„Hinterher ist man immer gescheiter“

Beim dritten Gutachten war zwar die Gefährlichkeit im Zentrum der Untersuchung, doch es ging vorrangig um die Möglichkeit eines Suizids, denn der Verdächtige hatte gedroht, sich vor dem Gericht in die Luft zu sprengen. Laut Walzl wurde der 66-Jährige in eine Klinik in die geschlossene Abteilung gebracht, aber aus dieser sofort wieder entlassen, „weil keine Eigen- oder Fremdgefährdung“ vorlag: „Hinterher ist man immer gescheiter“, so Walzl, zudem seien Gutachter „keine Hellseher“.

„Er hat ja niemanden konkret bedroht“

Walzl gegenüber habe sich der Stiwoller „ruhig und freundlich“ verhalten: „Er sagte, er sieht sein Fehlverhalten ein.“ In das Gutachten habe Walzl geschrieben, dass die Suizid-Drohung nicht nachvollziehbar sei und da auch keine Sprengmittel bei dem 66-Jährigen gefunden wurden, sei der Gutachter damals von einer „nicht großen Wahrscheinlichkeit“ einer suizidalen Tathandlung ausgegangen. „Er hat ja niemanden konkret bedroht“, sondern dass er sich selbst in die Luft sprengt, begründete der Sachverständige - das habe daher auch für eine Einweisung nach Paragraf 21 des Strafgesetzbuches nicht gereicht.

Nichtsdestotrotz habe Walzl abermals darauf hingewiesen, dass für den Mann eine Therapie notwendig ist; zudem hielt Walzl fest, dass er den Mann zuletzt im Vorjahr gesehen hat und sich seither Veränderungen ergeben haben könnten.

Der gesuchte Täter

Polizei

Der gesuchte Mann

Staatsanwaltschaft widerspricht Walzl

Anders sieht die Oberstaatsanwaltschaft Graz die Lage: Sie teilte am Montag in einer Aussendung mit, dass Walzl „wegen einer gefährlichen Drohung mit dem Tod am 25. Oktober 2016“ unter anderem mit nachstehender Frage befasst wurde: „Ist nach der Person, nach dem Zustand und nach der Art der Taten des Beschuldigten zu befürchten, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, konkret welcher Art (etwa auch wieder Gefährdungen mit Sprengmittel, oder auch Todesdrohungen, schwere Körperverletzungen etc.) begehen wird?“

Im Gutachten vom 30. November 2016 habe Walzl zusammenfassend ausgeführt, dass er „nicht mit der im Gesetz geforderten großen Wahrscheinlichkeit von neuerlichen Tathandlungen mit schweren Folgen ausgehen“ könne - eine Empfehlung gemäß Paragraf 21 Absatz 1 StGB müsse daher aus gutachterlicher Sicht unterbleiben.

„Gefährdungseinschätzung beauftragt“

Aufgrund dessen könne keine Rede davon sein, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen nicht mit einer Gefährdungseinschätzung beauftragt hat und sich das Gutachten des Sachverständigen lediglich auf die Suizidgefährdung des 66-Jährigen bezogen habe, hieß es in der Aussendung weiter.

„Die Gefahr der Begehung weiterer mit Strafe bedrohter Handlungen mit schweren Folgen ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für die vorläufige Anhaltung und die Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, weshalb der Staatsanwaltschaft auf Basis dieses Gutachtens darauf abzielende Anträge verwehrt waren.“ Im Übrigen zähle es nicht zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft, Gutachten zur Suizidgefährdung einzuholen, schloss die Oberstaatsanwaltschaft.

Stiwoll: Zurückfinden zur Normalität

Acht Tage nach dem Doppelmord in Stiwoll will die Gemeinde wieder zurück zur Normalität: So haben Kindergarten und Schule seit Montag wieder geöffnet. Der gesuchte 66-Jährige könnte unterdessen einen Einbruch verübt haben - mehr dazu in Stiwoll: Kindergarten und Schule wieder offen.

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Kindergarten und Schule wieder geöffnet

Mehr als eine Woche nach dem Doppelmord haben in Stiwoll am Montag die Schule und der Kindergarten wieder ihren Betrieb aufgenommen - die Suche nach dem Täter läuft weiter.

Der gesuchte 66-Jährige hatte am 29. Oktober mit einem Gewehr das Feuer auf seine Nachbarn eröffnet: Eine 55 Jahre alte Frau und ein 64-jähriger Mann starben, eine weitere Anrainerin wollte fliehen und wurde schwer verletzt, sie ist außer Lebensgefahr - mehr dazu in Zwei Menschen in Stiwoll erschossen. Seit Samstag koordiniert die SoKo „Friedrich“ - benannt nach dem Vornamen des Gesuchten - Suche und Ermittlungen - mehr dazu in SoKo „Friedrich“ sucht nach Verdächtigem.