Schladming: Schüler sexuell belästigt

Immer wieder sorgen Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen in heimischen Sportausbildungsstätten für Schlagzeilen - oft liegen Jahre dazwischen. Jetzt wurde aus Schladming ein neuer Fall gemeldet, der sich erst vor wenigen Wochen zutrug.

Ski-Akademie Schladming

ORF

Am 21. November soll ein Trainer der Skiakademie Schladming einen Schüler sexuell belästigt haben - er wurde suspendiert

Am 21. November soll ein Trainer der Skiakademie Schladming versucht haben, einem Schüler in den Schritt zu greifen, ihn am Oberschenkel zu berühren und ihm die Hose auszuziehen. Die Eltern erstatteten Anzeige bei der Polizei in Schladming, der Schulleiter setzte den Landesschulrat schriftlich davon in Kenntnis. Dieser leitete das Schreiben an die Staatsanwaltschaft Leoben weiter, wo es am 27. November einging, bestätigt Carolin Weißenbacher von der Staatsanwaltschaft Leoben.

Mehr Informationen liegen bei der Staatsanwaltschaft noch nicht auf, weil die Polizei momentan noch gegen den Trainer ermittelt, bestätigt Jürgen Haas von der Landespolizeidirektion. Der Trainer wurde indes von der Schule suspendiert.

Lange Liste von Vorfällen sexueller Belästigung

Dieser Fall reiht sich in eine lange Liste ein: Seit Wochen sorgen Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe in heimischen Sportausbildungsstätten für Schlagzeilen - ins Rollen gebracht wurden die ersten derartigen Vorwürfe von der ehemaligen Skirennläuferin Nicola Werdenigg - mehr dazu in Werdenigg wurde vier Stunden befragt (tirol.ORF.at). Sie hat offenbar eine Lawine losgetreten, denn derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem kein neuer Fall an das Tageslicht kommt.

Dabei liegen die meisten Fälle schon Jahrzehnte zurück: So soll es auch Anfang der 90er-Jahre zu Übergriffen gekommen sein. Schlagen, Grapschen und das sogenannte Pastern mit einer Drahtbürste sollen zum Alltag in der Skihauptschule in Schladming und dem Internat gehört haben - das schilderte eine ehemalige Schülerin, die anonym bleiben will, in einem Interview mit der „Presse“.

„Pastern“ mit Drahtbürste

Vor allem bei den Burschen sei es üblich gewesen, die Neuankömmlinge mit einer Drahtbürste zu quälen. Beim sogenannten „Pastern“ seien die älteren Schüler damit den Jüngeren so oft über den Po gefahren, bis Blut geflossen sei; danach soll Zahnpasta in die Wunde gerieben worden sein, damit es noch mehr brennt, so die Absolventin.

Kaum Konsequenzen

Mit Griffen an die Brust oder zwischen die Beine mussten hingegen die Mädchen leben, so die ehemalige Schülerin, die auch im Internat untergebracht war. Wandte sich ein Schüler hilfesuchend an einen Erwachsenen, wurde dieser am Weg zur Schule so brutal geschlagen, dass er zu den Vorfällen schwieg. Erzieher und Lehrer hätten davon gewusst, aber wenn überhaupt, wurde geschimpft - Konsequenzen gab es kaum: So lange die sportlichen Leistungen der Schüler stimmten, schritt niemand ein, erzählte die Frau im Interview.

„Nichts gewusst“

Der aktuelle Leiter des Internats bestätigte in dem Bericht, dass es in den 80er- und 90er-Jahren sogenannte „Paster“-Vorfälle mit Drahtbürsten gab, in den letzten zwölf Jahren - seit er das Haus leitet - sei aber nichts vorgefallen. Der Direktor der Sporthauptschule Schladming, der seit 30 Jahren an der Schule tätig ist, will hingegen laut „Presse“ von den Vorfällen nichts gewusst haben.

Hotline für Betroffene:

Die Hotline ist ab sofort unter der Telefonnummer 0316/77 41 99 erreichbar.

Opferschutzstelle eingerichtet

Bildungslandesrätin Ursula Lackner und Sportlandesrat Anton Lang (beide SPÖ) wollen die Vorfälle nun lückenlos klären: Am Mittwoch wurde eine beim Gewaltschutzzentrum angesiedelte Hotline für mögliche weitere Opfer eingerichtet, an die sich alle wenden können, die in einem Jugendhaus des Landes waren oder sind und Übergriffe erleiden mussten. Sie erhalten psychologische Betreuung und falls gewünscht auch juristische Beratung.

„Wenn Übergriffe passieren, dann sind das für die Betroffenen immer traumatisierende Erlebnisse. Wir müssen ihnen dabei helfen, darüber zu sprechen, auch wenn sie aus Scham bisher jahrelang geschwiegen haben, um dann die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen", so Lackner.

Warnung vor „Pauschalverurteilung“

Eine Opferschutzstelle hält auch die Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac für notwendig. Auch Fälle, die rund 25 Jahre oder mehr zurückliegen, müssten aufgearbeitet werden. Was das Mobbing und die Täter-Opfer-Umkehr angeht, sieht Denise Schiffrer-Barac auch noch unbedingt Handlungsbedarf: „Ich glaube, dass man da schon noch nachschärfen kann, dass man hier ganz behutsam und bewusst mit diesen Dingen umgehen muss, dass man Opfern, die Dinge melden, den Platz und die Sicherheit geben muss, dass sie eben nicht abgestempelt werden.“

Weitere Anlaufstellen:

  • Betroffene können sich auch unter waltraud.klasnic@opfer-schutz.at bzw. der Telefonnummer 0664 383 52 60 melden.
  • Vonseiten des Bildungsministeriums wurde ein „Meldetelefon“ unter der bundesweit kostenfreien Nummer 0800 205676 eingerichtet. Die Stelle nimmt auch unter www.bmb.gv.at Meldungen von Personen, die im schulischen Umfeld von sexuelle Übergriffen und Missbrauchsfällen betroffen sind oder waren, an.

Lang warnt auch vor einer Pauschalverurteilung und spricht von „ein paar schwarzen Schafen in der Vergangenheit“. Tausende Funktionäre im Sportbereich würden täglich hervorragende Arbeit leisten, und man dürfe jetzt vor allem den Skisport nicht an den Pranger stellen, „dass man sagt, das passiert im Skisport - der Skisport ist unser Aushängeschild Nummer eins in der Steiermark und in Österreich, und hier wird hervorragende Arbeit geleistet“, so Lang.

Gemeinde will Betroffenen helfen

Auch die Gemeinde Schladming will offensiv auf die Angelegenheit zugehen, kündigt Bürgermeister Jürgen Winter (ÖVP) an. Ihm hat die ehemalige steirischen Landeshauptfrau und Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic zugesagt, die Aufarbeitung von möglichen Missbrauchsfällen auch im Zusammenhang mit dem Schladminger Sportschulstandort zu unterstützen.

Kommenden Mittwoch (8.00 Uhr) soll es im Congresszentrum Schladming eine Informationsveranstaltung für Betroffene geben, auch Einzelgespräche mit dem Bürgermeister sind laut Winter möglich, und es werde auch Rechtsanwälte in Schladming, Graz und Salzburg geben, mit denen etwaige Opfer bzw. Eltern Kontakt aufnehmen können.

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