Starke Frauen im „Theater im Keller“

Für die Reihe „Classics in the basement“ im Grazer „Theater im Keller“ (TiK) hat sich Autorin Lilly Jäckl den antiken Mythos der Elektra vorgenommen und neuinterpretiert - als Punk-Drama um dunkle Frauengestalten von damals bis heute.

Unzählige Male wurde der antike Stoff um Elektra, die ihren Vater Agamemnon mit dem Mord an ihrer Mutter Klytaemnestra rächt, im Laufe der Geschichte neu interpretiert - doch wie heißt es im Stück: 2.500 Jahre dauerte es, bis einer den Schluss umschreibt. Genau das tat Lilly Jäckl für Regisseurin Eva Weutz: Sie fokussiere „auf das Bild der Frau im Wandel der Zeit, also Sprünge von der Antike bis jetzt; 2.500 Jahre hin und her. Eigentlich kommt es auf den Punkt, dass sich nicht viel geändert hat und es immer noch diese weibliche Kraft braucht, um sich zu befreien“, so Weutz.

Theater im Keller Elektra

Theater im Keller

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 4.11.2016

Was bleibt, ist der Sieg

Die Regisseurin sagt weiter über Jäckl: „Sie benutzt die Figuren des Originals, um die Geschichte einer Elektra zu erzählen, einer Frau, die sich langsam, aber sicher befreit. Im Original geht es ja um Schuld, Rache - und das nie enden wollend. Jetzt geht es eigentlich nicht so sehr um die Schuld, es geht darum, diese Rache durchzuführen - also der Mord oder die Morde passieren auch. Aber am Ende bleibt bei der Lilly nicht diese Schuld zurück, sondern der Sieg.“

Und zwar ein Sieg gegen Klytaemnestra, gespielt von Petra Pauritsch, die die lieblose Mutter, das konkurrenzgeile Weib, die Punk-Queen, die diktatorische Machthaberin gibt - und moderne Lügen zitiert: „Hauptsache, es herrscht Ordnung!“

"Wozu Fortschritt? Mehr Sklaven!“

Autorin Jäckl folgt zwar im Aufbau dem antiken Drama, doch führt sie neue Figuren ein - zum Beispiel den sadistischen KZ-Arzt, der als Elektras Peiniger kommentiert: „In unserer Zeit, also lange, lange bevor sie dieses Stück sehen, herrscht relativer Stillstand in der technischen Entwicklung. Wir können die Produktion nicht steigern ohne Sklaven. Ein Fortschrittsgedanke - wie es ihn in ihrem Heute gibt - war uns, ist uns, heute fremd: Wozu Fortschritt? Mehr Sklaven!“

Gefangen zwischen Mager- und Jugendwahn

Sogar mit einem bulimischen Mädchenchor wartet Jäckls Neuinterpretation auf: Drei schöne junge Frauen, die fressen, nur um sich anschließend wieder und wieder die Finger in den Mund zu stecken. Gefangen zwischen Mager- und Jugendwahn singen sie „Because I’m happy“ und verdeutlichen das Abstumpfen des Individuums in unserer modernen Gesellschaft.

„In den originalen Tragödien hat der Chor ja immer diese dokumentierende, erklärende Funktion. Bei uns hat er das auch ein bisschen - aber dieser Chor hat ganz spezielle Anforderungen, einen Rhythmus, der sich wie ein Atem durch das ganze Stück zieht. Die Mädchen steigen aber auch immer wieder aus, nehmen am Geschehen teil, hören auf, machen mit, befreien sich wieder, machen wieder mit - und dürfen am Ende quasi mit Elektra mit gewinnen“, erklärt Weutz.

Diese Elektra schwingt die Axt persönlich

Zwischen Anerkennung, Leistungskampf, Beziehungskompetenz, Online-Identität und Benutzerprofil entkommt Elektra schließlich ihrem Dasein als Marionette. Sie weigert sich nach dem Motto „einfach Mutti sein, strick dich frei“ zu existieren. Damit löst sie sich auch von der Hoffnung auf den Erlöser in der Gestalt des Bruders Orest - denn der ist nur ein dummer Jüngling, eher ein junger Dümmling. Am Ende ist es Elektra, stark gespielt von Katrin Ebner, die die Axt persönlich schwingt.

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