Auch in Graz wartet man noch auf Godot
Heldentheater
Sendungshinweis:
„Radio Steiermark-Sommerzeit“, 10.8.2017
Nach der Uraufführung von „Warten auf Godot“ 1953 in Paris geht die absurde Sinnsuche um zwei wartende Männer mehr als ein halbes Jahrhundert später in Graz weiter: „In den neuerlichen Beckett-Forschungen heißt es ja, dass es zwei Résistance-Kämpfer sind, die auf ihren Schlepper warten. Wir wollten die Allgemeinheit der Menschheit zeigen und haben das dann so weit getrieben, dass wir die Menschheit auf die letzten zwei Exemplare reduziert haben“, erklärt Regisseur Thomas Sobotka.
„Wir warten ja alle auf irgendetwas“
Und hier sind sie: Wladimir und Estragon. Abgeschnitten vom Rest der unbekannten Welt, gefangen in etwas, von dessen Existenz sie doch nichts ahnen, fristen sie ihr scheinbar primitives Dasein zwischen Sportgeräten, Matten und Seilen. Freizügig - doch nicht wirklich frei, schildert Sobotka: „Das grundsätzlich Interessante an dem Ding ist, dass wir davon ausgehen, dass wir alle nicht frei sind. Wir wissen es teilweise, teilweise wissen wir es auch nicht - und wir warten ja auch alle auf irgendetwas.“
Heldentheater
Somit erzählen die Darsteller Christian Ruck und Christoph Krutzler, der regelmäßig am Wiener Volkstheater zu sehen ist, eine knallharte wie berührende Geschichte über Freiheit, Beziehungen, über Menschen zueinander und miteinander.
Heldentheater
Zuschauer als „Teil des Geheges“
In puncto Freiheit schildert der Regisseur: „Dinge, die wir für Freiheit halten, sind dann oft gar nicht Freiheit, sondern werden nur als diese suggeriert. Für uns ist spannend gewesen, dass die beiden gar nicht wahrnehmen, dass sie eingesperrt sind, und die Situation ist ja eine solche, dass man als Zuschauer auch immer andere Zuschauer sieht. Man ist als Zuschauer also auch Teil dieses Geheges“ - und sitzt am Drehstuhl mitten im Geschehen.
Eine Rolle, die keine Rolle spielt
Fernab davon ist übrigens die Frau, die in Samuel Becketts absurdem Klassiker Anfang der 50er-Jahre noch überhaupt nicht auf der Bühne zu sehen war. Auch in der Inszenierung des Theaters t’eig spielt sie „keine“ Rolle - aber steht trotz allem im Scheinwerferlicht.
Der Regisseur verrät: „Dass die Frau keine Rolle spielt, haben wir versucht, auf die Spitze zu treiben, weil es laut Bestimmung von Beckett tatsächlich verboten ist, dass eine weibliche Darstellerin eine der Hauptrollen übernimmt. Wir sind so weit gegangen: Schaffe ich es, die Art zu erhalten über sexuelle Stimulanz? Und die funktioniert halt gar nicht; sie wird gar nicht wahrgenommen“ - weder in Lack noch in Leder, als Cheerleader oder im Dirndl.
Und worauf warten Sie?
Wer Godot nun wirklich ist, wann und ob er oder sie kommt - auf diese Fragen weiß auch das Theater t’eig keine Antworten. Denn am Ende geht es doch darum, was man aus der Zeit macht, die man auf der Erde verwartet - und worauf warten Sie?
Links:
- Theater t’eig
- Warten auf Godot (Wikipedia)