„Slow Flowers": Der Zauber der Blumen

Nachhaltigkeit ist das große Schlagwort unserer Zeit: „Oft fehlt aber der Inhalt“, sagt Margrit de Colle, Bioblumenzüchterin in der Südoststeiermark. Sie baut biologische „Slow Flowers“ an - nachhaltig und mit der Natur als Inspirationsquelle.

Blumen begleiten unser Leben, jeden wichtigen Abschnitt von der Geburt bis zum Tod. Sie erinnern uns an die Freude eines Anfangs und spenden uns Trost am Ende eines Lebens: Blumen berühren uns.

Blumen als Lebensbegleiter

„Wenn alles gleich und austauschbar ist, dann berühren uns Blumen nicht mehr. Dann geht der Zauber verloren“, sagt Margrit de Colle im Hinblick auf „Industrieblumen“ - solche, die von überall her nach Holland transportiert, dort versteigert werden und dann erst in den heimischen Blumengeschäften landen. Aber in der Natur ist nie etwas gleich: Keine Blume sieht genauso aus wie die andere, auch wenn sie am gleichen Stiel wächst.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen, Steiermark“, 20.3.2018

40.000 blühende Dahlien

Vor zehn Jahren machte sich Margrit de Colle selbstständig, seit 2010 gibt es das Projekt ‚Vom Hügel‘ – den ersten Bioblumen-Bauernhof Österreichs. Seither baut sie auf ihrer Landwirtschaft in Erbersdorf auf einem südoststeirischen Hügel biologisch-zertifizierte Schnittblumen an.

Dahlienfeld, Vom Hügel

Vom Hügel

„Wir brauchen den Zauber der Blumen“ - Margrit de Colle

Auf einem Streifen hatte sie begonnen, Dahlien - ihre Lieblingsblumen - anzupflanzen, mittlerweile sind es 2,5 Hektar, auf denen Zinnien, Gräser, Kornblumen und Co. wachsen. Beim Blumenfest im Herbst sind es dann 40.000 Dahlienblüten, die auf den Feldern leuchten.

Gerade der Zauber der Blumen sei es, den die Gesellschaft brauche, philosophiert die studierte Soziologin de Colle: „Obwohl wir eigentlich überhaupt keinen Bezug mehr zur Natur haben, ist es in unserer Kultur immer noch so, dass große Feste und Rituale mit Blumen begleitet werden“, sagt sie. Schon die alten Ägypter wussten Blumen und Kräuter etwa als Grabbeigaben zu schätzen.

Blumenpflücken als Beruf

Ihr Wissen über Bio-Schnittblumen - wie man sie richtig pflanzt, pflegt und erntet - gibt die nunmehrige Bioblumen-Bäuerin in Workshops und Seminaren an Blumenliebhaber weiter. Als Kind schon habe sie das Blumenpflücken geliebt, egal ob im Wald, im Hausgarten oder auf der Wiese, erzählt Margrit de Colle zu Beginn des Seminars - aber Blumenpflücken als Beruf, das gab es noch nicht.

Die gebürtige Kärntnerin besuchte die Modeschule in Graz und studierte Soziologie; später war sie in der Eventorganisation und PR-Branche tätig. Weil sie aber die Blumen nicht losließen, absolvierte sie einen Floristik-Meisterkurs.

Je mehr eine Blume auf Haltbarkeit hin gezüchtet wird, desto mehr verliert sie an Duft.

Dort erfuhr sie, wie die Blumenbranche ‚tickt‘. Niemand habe dort seine Blumen selbst angebaut, im Gegenteil: Keiner habe sich für die Hintergründe oder die Herkunft der Pflanzen interessiert, so de Colle. „Ich habe mich viel mit Entwicklungspolitik, mit den Hintergründen und der Unfairheit beschäftigt. Das Nachhaltige ist zwar fair zur Umwelt, aber es muss auch fair zum Menschen sein“, sagt die 41-Jährige.

Dahlienfeld, Vom Hügel

Vom Hügel

So kam es, dass sie den Traum von ihrer eigenen Blumenwiese verwirklichte. Anleihe nahm sie bei bekannten Biobauern: „Wenn man Erdäpfel biologisch und mit Liebe kultivieren kann, dann kann man das mit Dahlien auch. Beides wächst ja in der Erde.“

Tomatenrispen für die Sträuße

Aus Nachhaltigkeit, regionalen und saisonalen Produkten besteht die Philosophie von Margrit de Colle: „Slow Flower“, angelehnt an die „Slow Food“-Bewegung in der Kulinarik. Das Leben mit den Jahreszeiten ist ihr wichtig - der Rhythmus der Natur ist der Taktgeber für ihr eigenes Leben: „Die Natur entscheidet, welche Werkstücke möglich sind.“

Frühlingsstrauß

Vom Hügel

Frühlingsstrauß mit Pfingstrosen

Schnittblumentipps:

  • Tägliches Wasserwechseln und Anschneiden verlängern die Haltbarkeit der Schnittblumen.
  • Zum Schneiden immer scharfes Werkzeug verwenden.
  • Blüten und Blätter, die nicht zum Arrangement gehören, entfernen - so verdunstet weniger Wasser.
  • Die Stängel von Mohn, Sonnenblumen, Flieder, Hortensien oder Chrysanthemen kurz in kochendes Wasser halten. Dadurch verstopfen die kleinen Adern nicht, versorgen die Blumen mit Wasser und der Strauß bleibt länger frisch.

Sie arbeitet ausschließlich mit den Zutaten, die die Natur hergibt. Im Frühjahr sind das beispielsweise Tulpen, Anemonen und trockene Gräser. Nur bunte Sträuße im Frühjahr findet de Colle nicht passend – irgendwie sei das gegen den Lauf der Natur, meint sie, denn gerade in diesen Monaten ist die Natur im Umbruch: Vom kahlen Winter zur blühenden, grünen Jahreszeit, und das soll sich auch in den Arrangements widerspiegeln.

Jahreszeiten als Taktgeber

Im Sommer zieren kleine Tomatenrispen und Ziergräser die bunten Sträuße. Im Winter bleiben Zweige und getrocknetes Gut. Sonnenblumen oder ähnliches gibt es im Winter nicht - das sei die Herausforderung der Saisonalität, so de Colle. Von Mitte Dezember bis Mitte März bleibt auch der Blumenverkauf aus, die Kosten für die Mitarbeiter laufen aber weiter. Pflanzen müssen bestellt, die Knollen gezogen werden.

Man müsse sich eben fragen, ob man die 37. Jeans oder den Karibikurlaub wirklich brauche, gibt sich die 41-Jährige für sich bescheiden und verweist auf ihren Erfolg: „Gott sei Dank geht das Projekt so gut, dass ich wieder etwas umbauen habe können und wieder etwas weiter geht“, sagt sie.

Neugierig auf den Hügel?

Von 23.3. bis 25.3. findet das Frühlingsfest statt. Das Bio Blumen Café ist von Donnerstag bis Sonntag von 8.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Seminarteilnehmer von überall her

Auch in den Blumenbeeten der Seminarteilnehmer soll sich bald etwas tun: Dafür sind rund 30 Menschen vom Mühlviertel bis zum Südburgenland zum Seminar mit Margrit de Colle gekommen. Es geht um die wichtigsten Basics, wie man Schnittblumen im eigenen Garten anbauen kann.

Vom Hügel, Margrit de Colle

ORF

Frühjahr - Margrit de Colle zeigt eine Schneerose...

Vom Hügel, Margrit de Colle

Vom Hügel

...und Sommer

Bald kommt es zu einem lebhaften Austausch zwischen Seminarleiterin, Blumenprofis und „Garten-Grünschnäbeln“: Die einen wollen ihr Gemüsebeet mit Blühern ergänzen, die anderen teilen sich einen Gemeinschaftsgarten. Eine junge Floristin will den Betrieb ihrer Eltern erweitern, daneben sitzen wiederum ein junger Bio-Gemüsebauer und eine Landschaftsgärtnerin. Sie alle eint die Liebe zu den Blumen und der Gedanke, dass Gartenarbeit niemals Arbeit sein sollte.

  • Narzissen, Tulpen, Iris, Korn- oder Sonnenblumen sollten geerntet werden, sobald sie Farbe zeigen.
  • Für rispentragende Blüten wie Rittersporn oder Tränendes Herz gilt: Wenn ein Drittel der Knospen geöffnet ist, kann der Zweig verwendet werden.
  • Korbblütler wie Zinnien, Sonnen- oder Ringelblumen sind folgendermaßen zu behandeln: Ist die Blüte bereits geöffnet, knapp unterhalb des Blütenkelchs schütteln. Ist der Stängel stabil, kann die Blume vom Beet in die Vase.

Blumenschnitt zum richtigen Zeitpunkt

„Jedes Gras, jede Blüte, jedes Getreide hat seinen und ihren eigenen Schnittzeitpunkt, und den muss ich wissen“, erklärt Margrit de Colle. Nur so halten die Blumen aus dem eigenen Garten in der Vase so lange wie möglich – ganz ohne künstliche Zusätze. Margrit de Colle zeichnet eine Getreideähre auf das Flipchart-Papier: „Gräser und Getreide muss man schneiden, wenn es noch grasgrün ist“, sagt sie.

Die Mittagpause verbringen die Seminarteilnehmer auf der Terrasse des Bio Blumen Cafés mit Blick auf die noch kahlen Felder, auf denen in ein paar Monaten 140 Dahliensorten blühen werden.

Vom Hügel mit Katze

ORF

Nachmittags, während des Vortrags zum Thema Bodenqualität, spaziert die getigerte Hauskatze zwischen den Sesseln umher – eine Meisterin des subtilen Aufmerksamkeit-auf-sich-Ziehens: Natürlich lässt sie sich nicht von jedem streicheln, macht es sich lieber auf dem Schoß einer Teilnehmerin bequem und ignoriert die Ausführungen von Walter Scharler zur richtigen Bodenbeschaffenheit.

Der Boden und seltene Gemüsesorten

Scharler ist passionierter Biobauer - ein Pionier in der Arbeit mit seltenen Gemüsesorten. „Wer hat schon vor 2000 gelbe Paradeiser gegessen? Da habe ich drei Stauden gehabt und hab’ die Paradeiser halt selbst gegessen“, sagt Scharler.

Vom Hügel, Walter Scharler

ORF

Walter Scharler zeigt die zarten Anfänge einer Salatpflanze

Am Gleisdorfer Wochenmarkt waren er und Margrit de Colle Standnachbarn, und so kam es, dass sich die beiden seit einigen Jahren Tisch und Beet bzw. Folientunnel teilen: Er zieht im Tunnel das Gemüse, sie zieht die Blumen. In der Aufzucht von Jungpflanzen habe sie einiges von ihrem Partner lernen können, sagt Margrit de Colle, etwa wie man Samenkörner in Pflanzschalen richtig hegt und pflegt.

Erste zarte Blätter im Folientunnel

Im Folientunnel haben die ersten Gemüsepflanzen von Walter Scharler „Sonnenkollektoren“, wie er die ersten zarten Blätter nennt, ausgestreckt. Daneben blühen die Narzissen und ruhen die Dahlien von Margrit de Colle. Letztere werden noch einige Zeit brauchen, bis sie ebenfalls in voller Blüte stehen.

  • Möchte man ein Blumenbeet in einer Wiesenfläche anlegen, sollte man die obere Grasschicht (etwa fünf Zentimeter) abtragen und mit Humus auffüllen. Das Beet mit einer Grabgabel umstechen und schon ist es für die ersten Pflänzchen bereit.
  • Ein Samenkorn sollte nur mit so viel Erde überdeckt werden, wie es selbst groß ist.
  • Der Boden sollte immer luftig und durchwurzelbar gehalten werden. Nach einem schweren Unwetter empfiehlt es sich, den Boden wieder zu lockern. Dadurch bekommt er Sauerstoff und das kommt wiederum den Pflanzen zugute.
  • Außerdem sollte man den Kompostplatz vor Regen schützen.

De Colle kommt nochmals auf Industrieblumen zu sprechen: „Wenn du Tag und Nacht ignorierst und die Jahreszeiten, wenn immer alles verfügbar ist, dann wird es wertlos, und das ist das Schlimmste, was passieren kann“, sagt sie.

Das Prinzip der Saisonalität bekommt im Lebensmittelbereich immer mehr Aufmerksamkeit, bei den Blumen ist dieser Aspekt noch weitgehend unbeachtet: Jederzeit verfügbare Blumensorten lassen uns ihnen gegenüber gleichgültig werden, dann fehlen die Wertschätzung und das Besondere.

Blumensträuße als Luxus

Große Blumensträuße in jedem Zimmer zu haben, bedeutet für Margrit de Colle Luxus. „Dahlien musst du schneiden. Je mehr du sie schneidest, desto mehr blühen sie. Das ist Luxus“, sagt sie. Deshalb hatte sie den Blumenacker ursprünglich auch für sich angelegt - Margit de Colle spricht immer von ihrem „Projekt“, nicht von ihrer Arbeit. „Ich unterscheide nicht zwischen Arbeit und Leben. Ich lebe das einfach“, sagt sie über ihr Projekt „Vom Hügel“. Den Namen, de Colle trug schon die Urgroßmutter - er kommt aus dem Italienischen und heißt übersetzt „Vom Hügel“.

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