Grazer Alltagsstudie über Palästinenserinnen

Die Grazer Ethnologin und Buchautorin Martha Tonsern hat die schwierige Situation von palästinensischen Frauen im Westjordanland und Ost-Jerusalem beleuchtet. Die Studie über deren Alltagsleben gibt es jetzt in Buchform.

Die Frauen würden nahezu aufgerieben zwischen den starken patriarchalen Strukturen der eigenen Gesellschaft und den vielfältigen Auswirkungen der israelischen Besatzung auf ihr Alltagsleben, schildert Tonsern.

Palästinensische Frauenhände

APA/dpa/Stephanie Pilick

Buchtipp:

Martha Tonsern: „Palästinensische Frauen zwischen Besatzung und Patriarchat“, erschienen im Grazer Universitätsverlag

Lücke in öffentlicher Wahrnehmung

Das Buch mit dem Titel „Palästinensische Frauen zwischen Besatzung und Patriachat“ - erschienen am Grazer Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie ist das Ergebnis der Dissertation von Tonsern und versucht, eine Lücke in der öffentlichen Wahrnehmung zu füllen: Im Vordergrund stehen nicht die politischen Analysen, sondern die Realität im Alltag der Frauen, die im Westjordanland und Ostjerusalem leben.

Interviews mit Frauen aller Schichten

Tonsern befragte zwischen Februar und Dezember 2008 20 arabisch-palästinensische Frauen im Alter von 15 bis 70 Jahren und lebte zwei Monate mit einer muslimisch-palästinensischen Familie in Ostjerusalem. Ihre Gesprächspartnerinnen stammten aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten; hinzu kamen auch Gruppendiskussionen und Interviews mit Psychologinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen und Politikerinnen.

Prekäre Wohnsituation und permanente Kontrollen

Die Lebensverhältnisse vieler palästinensischer Familien – in oftmals illegal errichteten Häusern – ist prekär und die ständige Angst vor dem Heimverlust durch Zerstörung sorgt für eine permanente Stressbelastung, so die Autorin; hinzu kommt die limitierte Bewegungsfreiheit durch den Sperrwall, die Kontrollen an den rund 100 Checkpoints und der oftmalig nicht mögliche Zugang zu spezialisierten Krankenhäusern.

Fundamentalismus, Frustration und Gewalt

„In den palästinensischen Gebieten sind es die arabisch-palästinensischen Frauen, die die größte Bürde zu tragen haben“, ist die Grazer Ethnologin überzeugt und betont, dass „gleichzeitig die israelische Besatzung die Repressionen, die Frauen in der patriarchalischen Gesellschaft generell erfahren, verstärken“ - einerseits durch den wachsenden religiösen Fundamentalismus, andererseits weil die Männer aufgrund von Arbeitslosigkeit und Armut ihre traditionelle Rolle als Erhalter der Familie nicht mehr wahrnehmen können und ihren Frust vor allem an den Frauen auslassen. Die häusliche Gewalt nimmt zu, Therapie- und Zufluchtsmöglichkeiten, wie etwa Frauenhäuser, existieren aber nicht in ausreichender Form, so die Ethnologin.

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