Bürgerbefragung zu Reininghaus im Juni
Dienstagnachmittag kam der Grazer Gemeinderat auf Drängen von den Grünen, der FPÖ, der KPÖ und des BZÖ zu einem Sondergemeinderat zu den Themen Reininghausgründe und Bürgerbefragung zusammen. Die Grünen wollten die Befragung erst im Herbst, Bürgermeister Siegfried Nagl riss der Geduldsfaden und kündigte die Zusammenarbeit mit den Grünen auf - mehr dazu in Graz: Nagl lässt Koalition mit Grünen platzen (30.05.12).
Auch Umweltzonen werden abgefragt
Bei dem Sondergemeinderat wurde bekannt, dass die Bürgerbefragung nun doch schon Ende Juni stattfinden soll. Mit Hilfe der SPÖ erreichte Nagl also, was ihm die Grünen verwehrten - mehr dazu in Bürgerbefragung: SPÖ signalisiert Zustimmung (31.05.12). Bei der Befragung sollen die Grazer aber nicht nur über den geplanten Kauf der Reininghausgründe durch die Stadt abstimmen, sondern auch über die Einführung einer Umweltzone.
230.000 Bürger sollen entscheiden
Der Fragebogen geht an 230.000 Grazer. Stimmberechtigt sind alle die älter als 16 Jahre sind und ihren Hauptwohnsitz in Graz haben. Die Befragung dauert von 29. Juni bis 12. Juli - ab 45.000 Stimmen soll das Ergebnis bindend sein.
Opposition kritisiert und zweifelt
Für die Grünen, die FPÖ, die KPÖ und das BZÖ sind viele Fragen rund um den Reininghaus-Deal ungeklärt. Für BZÖ-Obmann Gerald Grosz ist offen: „Wer die Investoren dieser Reininghausgründe sind, wer die Eigentümer, wie hoch die Kosten bei einer möglichen Übernahme für die Stadt sind.“ Nagl konterte, es habe genügend Sitzungen gegeben, in denen sämtliche Fragen geklärt worden seien: „Manchmal denke ich mir, diese vielen Ausschusssitzungen haben irgendwie nicht stattgefunden und man hätte das alles nur geträumt. Zum Beispiel die letzte Sitzung wo ausdrücklich Gerhard Rüsch nocheinmal gefragt hat gibt es jetzt noch irgendeine Frage und es ist keine mehr gekommen.“
KPÖ Klubchefin Ina Bergmann sieht in der Bürgerbefragung ein Wahlkampfthema von Bürgermeister Nagl: „Ein halbes, dreivierteltes Jahr vor der Gemeinderatswahl macht es schon Sinn sich um die Bürger zu bemühen. Ich finde es nur schade, dass die Bürger hier missbraucht werden.“
Stadt Graz
Für FPÖ-Chef Mario Eustacchio wiederum will sich Nagl mit einer Bürgerbefragung nur aus der Verantwortung ziehen: „Es ist Feigheit weil Du hinausgehst und sagst, ich bin zu feig um Entscheidungen treffen und jetzt frage ich die Bürger, da spielen wir nicht mit.“
Auch die Grünen, bis vor wenigen Tagen noch Koalitionspartner der ÖVP in Graz, teilten in Richtung Nagl aus - Vizebürgermeisterin Lisa Rücker: „Ich kann mittlerweile nicht mehr gut unterscheiden zwischen dem wo liegt ehrliches Bemühen um Demokratie und wo liegt parteipolitisches Kalkül.“
SPÖ Zick-Zack-Kurs vorgeworfen
Kritik musste sich während des Sondergemeinderates vor allem die SPÖ anhören, weil sie die ÖVP jetzt in Sachen Bürgerbefragung unterstützt - Umfaller und Zick-Zack-Kurs waren noch die schmeichelhafteren Bezeichnungen. SPÖ-Chefin Martina Schröck: „Mir jetzt einen Zick-Zack-Kurs vorzuwerfen ist lächerlich. Die SPÖ hat immer gesagt wir sind klar gegen einen Kauf, das gleiche gilt für die Umweltzone.“ Auch für das bisherige Befragungsmodell sei das gültig, so Schröck, deshalb habe die SPÖ an die ÖVP einen Fragenkatalog übergeben, der in den vergangenen Tagen ausgearbeitet wurde um die Sozialdemokraten bei der Bürgerbefragung ins Boot zu holen.
Finanzstadtrat war um Aufklärung bemüht
Finanzstadtrat Gerhard Rüsch (ÖVP) versuchte bei der Sondersitzung die anderen Fraktionen aufzuklären. Die Eigentümerin sei laut Firmenbuch die AOA - Asset One AG Immobilienentwicklungsgesellschaft - als Gesellschaft, die Reininghaus verkauft. 100 Prozent Eigentümer der AOA ist laut Rüsch Alfred Müller mit seiner Gesellschaft „Property AG“. Bei dieser Firma gebe es drei Minderheiteneigentümer, ehemalige Mitarbeiter von AOA, die aber kein Stimmrecht hätten und den Verkauf nicht mitentscheiden könnten.
Schulden im Rahmen
Die Kosten liegen laut Rüsch bei 75 Millionen Euro - 79,5 Millionen, abzüglich des Preises von 4,5 Millionen für ein bereits verkauftes Grundstück von 1.000 Quadratmetern. Die Stadt kaufe nicht direkt die Grundstücke, sondern die AOA spalte eine von der Stadt zu übernehmende Gesellschaft ab, die die Reininghaus-Gründe halte. Die Belastung der Gesellschaft seien die genannten 75 Millionen Euro. Dieser Summe gegenübergestellt sei ein Kredit der Steiermärkischen Sparkasse von 50 Millionen Euro, 24 Millionen Euro Eigenkapital der Stadt Graz und eine Million Eigenkapital der Bank, die für die 50 Millionen keine Haftung verlange. Stadtrat Rüsch: „Ich habe nie gesagt, wir machen für Reininghaus keine Schulden, sondern die Übernahme erhöht den konsolidierten Schuldenstand nicht“. Man verkaufe Grundstücke und bringe das Geld in die Gesellschaft ein. Es sei durchaus üblich, dass Grundstücke als Besicherung ausreichten.
Durch neue Bewohner mehr Finanzausgleichsmittel
Die Infrastrukturkosten würden rund 140 bis 150 Millionen Euro betragen, die Stadt erwartet sich einen Beitrag der Gesellschaft in zweistelliger Millionenhöhe. Den Rest müsse man mit unseren üblichen Finanzierungen über das Budget leisten, so Rüsch: „Stärkstes Gestaltungsmoment der Stadtpolitik ist das Eigentum. Graz geht nicht unter, wenn Reininghaus gekauft wird." Der Finanzdirektor der Stadt Graz, Karl Kamper, erklärte, die Kosten für Reininghaus könnten nach 26 bis 28 Jahren abgedeckt sein, da man über die prognostizierten 10.000 Einwohner zusätzlich mehr Finanzausgleichsmittel lukriere.“
Wirtschaftskrise stoppte Musterstadtteil
Die etwa 52 Hektar großen Reininghausgründe in den westlichen Grazer Bezirken Eggenberg und Wetzelsdorf sind seit Jahren eines der zentralen Objekte der Stadtpolitik und ein entsprechender Zankapfel. Das Entwicklungsprojekt auf den Gründen der ehemaligen Brauerei Reininghaus im Westen von Graz - plus später hinzugekommene Teile der ehemaligen Hummel-Kaserne - war ins Stocken geraten, als Eigentümer Asset One den ursprünglich eingeschlagenen Weg, gemeinsam mit der Stadt einen Musterstadtteil zu entwickeln - mehr dazu in Nachhaltiges Grazer Stadtteilprojekt (26.04.12), im Zuge der Wirtschaftskrise verlassen hatte.
Seitens der Stadt befürchtete man einen scheibchenweisen Verkauf der Liegenschaften und steuerte mit dem Verweis auf notwendige widmungsrechtliche Bewilligungen dagegen. 2011 scheiterte ein Angebot der Stadt am Preis. Andere Investoren wie etwa der Berliner Immobilienentwickler Douglas Fernando sprangen wieder ab.