Bettelverbot ist verfassungswidrig

Das generelle Bettelverbot in der Steiermark ist verfassungswidrig: Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Donnerstag mitgeteilt. Die Höchstrichter hoben das Verbot somit auf.

In mehreren Bundesländern führte der VfGH derartige Verfahren durch. Dabei kamen die Verfassungsrichter zu dem Schluss, dass es keine Bedenken gegen Regeln gibt, die bestimmte Formen der Bettelei, etwa aufdringliches oder aggressives Betteln sowie das Betteln mit Minderjährigen, verbieten.

Höchstrichter gegen generelles Bettelverbot

Ein Bettelverbot ohne Ausnahme sei jedoch unsachlich und widerspreche der Menschenrechtskonvention, so Christian Neuwirth, Sprecher des VfGH: „Ein generelles Bettelverbot geht in Österreich nicht.“ In der Steiermark bestehe genau ein solches Bettelverbot ohne Ausnahme, so Neuwirth. Dass Gemeinden die Möglichkeit haben, in „Erlaubniszonen“ das Betteln zu gestatten, ändere daran nichts, heißt es in einer Aussendung des Verfassungsgerichtshofes. Die Einrichtung solcher Erlaubsniszonen sei nicht verpflichtend, die steirische Verordnung sehe also ein absolutes Bettelverbot vor. Das sei nicht möglich.

Aggressives Betteln kann verboten werden

Verboten werden können in Österreich jedoch bestimmte Formen des Bettelns. Laut Christian Neuwirth zählen dazu das aufdringliche und aggressive Betteln sowie das Betteln mit Minderjährigen. Aber generell zu sagen, es darf in Österreich nicht gebettelt werden, widerspreche der Verfassung, stellt Neuwirth klar.

Bettelverbot

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Das steirische Bettelverbot verstößt gegen die Menschenrechtskonvention

Altes Gesetz muss ohne Reparaturfrist in Kraft treten

Weiters entschieden die Verfassungsrichter, keine Reparaturfrist zu geben, sondern die Vorgängerregelung des Landes-Sicherheitsgesetzes wieder in Kraft zu setzen. Das bedeutet, der Landeshauptmann muss im Landesgesetzblatt nun unverzüglich kundmachen, dass die alte Bestimmung wieder zu gelten hat. Sie sieht ein Verbot von aufdringlichem Betteln und Betteln mit Minderjährigen vor, enthält jedoch kein absolutes Bettelverbot.

Anlass für die Aufhebung des steirischen Bettelverbots war ein entsprechender Antrag von Gegnern des Verbots. Das Bettelverbot selbst trat im Mai 2011 in Kraft - mehr dazu Bettelverbot in Graz zeigt Wirkung (29.5.2012) und Ein Jahr Bettelverbot: Kaum Probleme (15.6.2012).

Wolfgang Pucher, Vinzipfarrer, Bettelverbot

APA/Herbert Neubauer

Der Grazer Vinzipfarrer Wolfgang Pucher zeigte sich hocherfreut über die Aufhebung des Bettelverbotes

Pucher: „Mit großer Freude erfüllt“

Einer der schärfsten Gegner des Bettelverbots, der Grazer Vinzi- und Armenpfarrer Wolfgang Pucher, zeigte sich am Donnerstag mehr als erfreut über das Urteil: „Ein jahrelanger Kampf hat zu einem positiven Ende geführt.“ Pucher wies darauf hin, dass der anlassgebende Antrag eines Bettlers auf das Betreiben der Vinzi-Gemeinschaft gehe.

„Wir haben uns um die gesamte Organisation und um die Kosten gekümmert, der Roma half uns, indem er seinen Namen und Identität zur Verfügung stellte“, so Pucher. Zum ersten Mal sei es in der Steiermark gelungen, für Menschen ohne Lobby, die ganz unten seien, ein Recht durchzusetzen, das ihnen genommen worden sei, nämlich das Menschenrecht, in der Öffentlichkeit um Hilfe zu bitten, wenn man in Not ist, so Pucher. Die Entscheidung der Verfassungsrichter sei eine Realität, an der man nicht vorbeikomme.

„Große Aggression der Innenstadt-Geschäftsleute“

Pucher hofft, dass nun bei den Juristen des Landes, die das Bettelverbot ausgearbeitet haben, ein Umdenk- und Nachdenkprozess beginnt. Die Gegner der bettelnden Menschen seien in erster Linie die Geschäftsleute in der Grazer Herrengasse gewesen, zeigt sich Pucher überzeugt. Nirgendwo anders habe er eine breitere Ablehnung und Aggression gegen die Bettler gesehen.

SPÖ und ÖVP nehmen Urteil zur Kenntnis

Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) sagte in einer ersten Reaktion, er nehme die Entscheidung des VfGH zur Kenntnis und akzeptiere sie. Die Juristen des Landes würden sich die Entscheidung zwar noch genau ansehen, allerdings, so Voves, wenn das Höchstgericht so entscheide, dann „ist die Geschichte für uns auch gelaufen“.

Ähnlich die Reaktion von Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP): „Die Gemeinden hätten zwar Zonen schaffen können, in denen Betteln erlaubt wäre, weil das aber keine Gemeinde getan hat, sieht der VfGH ein generelles Verbot als verfassungswidrig an“, so Schützenhöfer, allerdings bleibe die alte Verordnung bestehen, die besagt, dass aggressives Betteln weiterhin verboten ist, betont der steirische ÖVP-Chef. Nun komme es darauf an, das entsprechend zu überprüfen, was vorher nicht wirklich der Fall gewesen sei. Schützenhöfer will nicht ausschließen, zu einem späteren Zeitpunkt im Landtag eine verfassungskonforme Lösung anzustreben, sollte der Bedarf gegeben sein.

Neues Verbot kein vordringliches Ziel

Die beiden Klubobleute der Reformpartnerschaft, Walter Kröpfl (SPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP), teilten mit, dass das alte Gesetz wieder gelte. Man werde prüfen, ob man eine neue, verfassungskonforme Lösung finden und beschließen werde. „Wir überlegen, werden aber sicher nicht Gesetze wie etwa jenes von Wien, das gehalten hat, abschreiben“, so Drexler. Kröpfl: „Wir werden uns das anschauen. Ein neues Bettelverbot ist kein vordringliches Ziel“.

Grüne und KPÖ sehen sich bestätigt

Die steirischen Grünen sowie die KPÖ Steiermark sehen sich durch das Urteil des VfGH bestätigt: „Wir haben uns dieses Urteil erwartet“, so die grüne Landtagsklubobfrau Sabine Jungwirth. Die Landesregierung, allen voran Landeshauptmann Voves und sein Stellvertreter Schützenhöfer müssten diese Entscheidung zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.

Für KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler kommt das Bettelverbot einer Kriminalisierung von Menschen gleich, die aufgrund ihrer Armut keine Perspektiven mehr haben, als auf der Straße zu betteln. Sie hofft, dass das Bettelverbot nun ersatzlos gestrichen wird.

FPÖ empört über VfGH-Entscheidung

Auf Empörung und Ablehnung stößt die Entscheidung der Verfassungsrichter beim Chef der steirischen Freiheitlichen, Gerhard Kurzmann. Betteln sei kein Menschenrecht, wenn dadurch einheimische Bevölkerung, aber auch die Touristen in „aufdringlicher Weise belästigt werden“, so Kurzmann in einer Aussendung.

Die FPÖ Steiermark fordert einen Unterausschuss im Landtag zur Reparatur des Gesetzes, um damit den Grundsätzen der Verfassung zu entsprechen. Ein Bettelverbot sei notwendig, um den organisierten Kinder- und Menschenhandel zu unterbinden, den „Bettelbanden aus dem Osten“ praktizieren würden, so FPÖ-Sicherheitssprecher Gunter Hadwiger.

Nagl: Betteln ist menschenunwürdig

Auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) nahm am Donnerstag Stellung zur Aufhebung des generellen Bettelverbotes: „Ich bleibe dabei, dass ich das Betteln für menschenunwürdig halte und daraus im 21. Jahrhundert in Europa kein Beruf entstehen darf.“

Caritas: Aufhebung nicht überraschend

Für den Direktor der Caritas Steiermark, Franz Küberl, war die Aufhebung des steirischen Bettelverbotes zu erwarten. Die Entscheidung der Verfassungsrichter komme nicht überraschend, so Küberl. Damit greife die normale Rechtsstaatlichkeit wieder Platz, so Küberl. Ziel sei es aber weiterhin, durch Armutsbekämpfung in den Nachbarländern wie auch in Österreich für Lebensbedingungen zu sorgen, die Betteln nicht mehr notwendig machen.