Gedenken für Opfer des NS-Lagers Liebenau

Es ist ein lange verschwiegenes Kapitel der Grazer Stadtgeschichte: In einem Nazi-Lager im Bezirk Liebenau waren zu Kriegsende mindestens 53 Menschen ermordet worden. In einer berührenden Feier ist nun erstmals offiziell der Opfer gedacht worden.

Wo heute Hochhäuser und nicht weit entfernt auch ein Fußballstadion stehen, sind am Ende des Zweiten Weltkrieges unfassbare Verbrechen verübt worden - Graz-Liebenau war einst Standort des berüchtigten NS-Lagers Nummer fünf.

Zu Fuß von der Grenze nach Graz

Besagtes Lager war im gesamten Lagernetz der Landeshauptstadt das größte. Fünftausend Menschen, vor allem ungarische Juden, waren noch in den letzten Wochen des Krieges dorthin getrieben worden. Es waren Zwangsarbeiter, die zuvor am sogenannten „Ostwall“ zu Schanzarbeiten eingesetzt waren. Zu Fuß und ohne ausreichende Verpflegung mussten die Menschen von der ungarischen Grenze nach Graz marschieren.

Nebenlager Liebenau Nazi

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Tausende Zwangsarbeiter aus dem Osten wurden ins Grazer Lager gebracht

Massenmord nach Selektion

„Hier in Graz wurden sie zwar verpflegt, aber obwohl die Lager leerstanden, mussten die Menschen nach wie vor im Freien schlafen. Manche waren vom Marsch so erschöpft, dass es schien, dass sie nicht mehr weitermarschieren konnten“, sagt Eleonore Lappin-Eppel vom Centrum für jüdische Studien.

Das Lager Liebenau war für viele damit letzte Station noch vor dem KZ Mauthausen, denn es wurde selektiert: „Man hat diejenigen Männer und Frauen, von denen man annahm, dass sie nicht mehr weiter marschieren konnten, im Lager zurück behalten und sie dann nachher ermordet.“

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Graz war für viele letzte Station vor dem Konzentrationslager

Genaue Opferzahlen gibt es nicht, Zeitungsberichte vom Prozess gegen den Lagerleiter im Jahr 1947 schreiben von 30 bis 200 Ermordeten. Später tatsächlich exhumiert wurden 53 Opfer, darunter auch die Leichen dreier Babies. Weitere Grabstätten werden aber vermutet.

Erstmals Gedenkfeier für Opfer

Erstmals seit dem Verbrechen hat es am Montag nun eine Gedenkfeier für die Opfer des Liebenauer Lagers gegeben. Initiiert von Rainer Possert und Gustav Mittelbach, sie beide betreiben bereits seit 30 Jahren eine gemeinsame Praxis im sozialmedizinischen Zentrum Liebenau.

Für sie ist das Aufarbeiten dieses dunklen Kapitels eine Selbstverständlichkeit: „Es ist eine Frage der Anständigkeit, dass man in dieser Stadt, die ja auch die Stadt der Volkserhebung war, endlich den Opfern die Referenz erweist und auch die Möglichkeit gibt, es zu bedauern, was die Väter-Generation da angerichtet hat.“

Nebenlager Liebenau Nazi

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Heute erinnert in Liebenau nichts mehr an die Massenmorde zur NS-Zeit

Wunsch nach eigener Grabstätte

Als Präsident der isrealitischen Kultusgemeinde in Graz, wünscht sich Heinz Anderwald in einem weiteren Schritt auch die Errichtung einer Gedänkstätte in Liebenau: „Wir haben in diesem Lande eine Menge an Kriegerdenkmälern, aber durch Kriegerdenkmäler wird der Millionen Opfer, die im Holocaust ermordet wurden, nicht gedacht. Daher ist es wichtig ein Zeichen des Gedenkens auch für diese Opfer zu setzen, denn eine Zukunft braucht immer auch eine Erinnerung.“

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