Amokläufer galt als „Tyrann im Dorf“
Samstagvormittag geriet der 62-Jährige mit seinem 36-jährigen Nachbarn und dessen 59-jährigem Vater in Streit. Dabei soll der Pensionist die beiden Männer bedroht haben.
Mit Pistole in Haus gestürmt
Kurz darauf stand die Polizei vor der Tür des Pensionisten und forderte ihn auf, zur Einvernahme auf die Inspektion zu kommen. Der Obersteirer versprach zu kommen, bat sich aber aus, vorher mit seinem Anwalt sprechen zu dürfen - tatsächlich jedoch schnappte er sich eine Kleinkaliberpistole, die er vermutlich illegal besaß und stürmte zum Haus seiner Nachbarn.
APA/ M.A. Grandits
Flucht ins Schlafzimmer
Der Mann ging durch die offene Hintertüre in das Haus. Die Ehefrau des 36 Jahre alten Bewohners bemerkte den Pensionisten und versteckte sich mit ihrem Mann im Schlafzimmer. Der Pensionist stieß die Tür mit einer Schulter auf. Die Frau flüchtete daraufhin in ein anderes Zimmer - ihr Mann drückte die Schlafzimmertür wieder zu und stemmte sich dagegen.
Drei Kugeln trafen Mann durch Tür
Der Verdächtige ließ sich davon nicht aufhalten, griff zu seiner Pistole und schoss so lange durch die Tür, bis das Magazin leer war. Drei Kugeln trafen den 36-Jährigen ins Gesicht, den Rücken und den Oberschenkel - er brach schwer verletzt zusammen. Der Vater des 36-Jährigen hörte die Schüsse und kam Sohn und Schwiegertochter zu Hilfe. Gemeinsam mit der Ehefrau des Sohnes konnte er den Verdächtigen festhalten, bis die Polizei eintraf. Die Frau warf die Tatwaffe offenbar in die Waschmaschine.
Der 36-Jährige dürfte nur knapp mit dem Leben davongekommen sein, denn die Kugel im Gesicht gelangte durch die Wange und die Nasenhöhle bis kurz vor das Ohr.
APA/Siegfried Ullrich
Hintergründe noch unklar
Ehefrau und Vater konnten den Verdächtigen festhalten, bis die Polizei eintraf. Der Schwerverletzte wurde ins Krankenhaus Bad Aussee gebracht und operiert. Mordermittler des Landeskriminalamtes nahmen den Verdächtigen fest - auch der 62-Jährige wurde ins Spital gebracht: Er erlitt Rippenbrüche.
Der Auslöser für den Mordversuch dürfte eine Auseinandersetzung der beiden Männer vor drei Jahren gewesen sein. Die Ermittlungen gegen den 62-Jährigen werden am Sonntag fortgeführt.
ORF
Andrea Leitner
Kinder waren nicht daheim
Eigentlich hätte Samstagnachmittag der Geburtstag der Ehefrau des Opfers gefeiert werden sollen. Nach der Tat suchte die geschockte Frau Zuflucht bei ihrer Mutter Andrea Leitner: „Sie hat zuerst gar nichts sagen können. Sie hat nur geschlottert. Dann hat sie gesagt, Gott sei Dank, dass die Kinder außer Haus gewesen sind“, so Andrea Leitner im Interview mit dem ORF Steiermark. „Sie hat Todesängste ausgestanden. Er ist hinten rein und hat geschrien: ‚Hallo, hallo, ich bin da!‘. Sie hat seine Stimme erkannt - und dann ist sie geflüchtet“, so die Mutter der Ehefrau.
ORF
Walter Bartl
Vater: „Wunden müssen heilen“
Der Vater des Opfers, Walter Bartl, sagte im Interview, dass es seinem Sohn „den Umständen entsprechend nicht schlecht“ gehe: „Es geht ihm nicht hundert Prozent gut, aber es geht. Die Wunden müssen halt heilen“, so der Vater.
Gefragt zum Verhältnis zum Nachbarn, sagte Bartl: „Das geht schon seit 20 Jahren so. Er hat die ganze Umgebung terrorisiert - mit Raufereien und so. Er ist nicht richtig im Kopf, sonst täte er so etwas nicht, einfach krank. Morddrohungen gab es sowieso - und solche Sachen. Gewisse Leute haben gesagt, das ist eine tickende Zeitbome. Jetzt hat er halt zugeschlagen.“
Polizeikreise: „Tyrann im Dorf“
Der 62-jährige Pensionist sei in seinem Heimatort als „Tyrann im Dorf“ bekannt gewesen, hieß es am Sonntag aus Polizeikreisen. Seit Jahren seien Anzeigen an die Staatsanwaltschaft Leoben geschickt worden, doch wirklich genützt habe das nicht. Die Staatsanwaltschaft wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.
Insgesamt wurden nach der Tat am Samstag vier Langwaffen und die Kleinkaliberpistole, Modell Walther Taschenpistole Hahn (TPH), bei dem Mann bzw. in seinem Haus gefunden. Mit letzterer schoss er insgesamt siebenmal auf seinen Nachbarn.
Anklage wegen Mordversuchs
Schon 2006 hatte es eine Hausdurchsuchung bei dem Verdächtigen gegeben. Schüsse waren damals zu hören gewesen, doch es wurden keine Waffen bei ihm gefunden; auch dürfte gegen den Mann noch ein altes Verfahren offen sein. Laut Staatsanwältin Nicole Dexer werde er sich nun wegen Mordversuchs verantworten müssen.
Den Vorwurf, dass sie zu wenig hart durchgegriffen habe, könne die Staatsanwaltschaft nicht kommentieren, da etwaige vorherige Delikte dem Datenschutz unterliegen, so Dexer, sie könne die Vorwürfe zurzeit nicht überprüfen. Außerdem habe die Vergangenheit „nichts mit der (aktuellen, Anm.) Tat zu tun“ und sei "irrelevant“, wenn es um Auskünfte zu den Schüssen vom Samstag gehe.
Kritik an Behörden
Kritik an den Strafverfolgungsbehörden kam am Sonntag auch von Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt: „Anscheinend war der Mann innerhalb und außerhalb seiner Familie als gewalttätig bekannt, es hat Vorzeichen gegeben, geschehen ist offenbar nichts“, so Logar: „Die Behörden haben zu spät reagiert - es musste erst was passieren.“