20 Jahre Kriegsfolgenforschung in Graz

Seit 20 Jahren wird am Ludwig-Boltzmann-Institut Kriegsfolgenforschung betrieben. Dabei wurden die Schicksale und der Verbleib Tausender Kriegsgefangener ebenso untersucht wie das Leben von Zwangsarbeitern in Österreich.

Kriegsopfer des NS-Regimes

Ludwig Boltzmann Institut

Was passierte mit tausenden Kriegsgefangenen?

Jahrzehntelange Ungewissheit über den Verbleib zehntausender Österreicher in russischer Kriegsgefangenschaft - dieses Zustandes nahm sich das Ludwig-Boltzmann-Institut im Jahr 1993 an, und begann zu forschen. Mit Erfolg, denn das Schicksal vieler konnte geklärt werden.

15.000 Anfragen von Hinterbliebenen

Mehr als 15.000 Menschen fragten im Laufe der Jahre an, wollten wissen wo ihre Väter, Söhne oder Brüder geblieben sind. Es handelt sich um jene, die nie vom Russlandfeldzug Hitlers heimkehrten.

In vielen Fällen gelang es durch teils mühselige Kleinarbeit bzw. diplomatisches Geschick Antworten zu finden, erklärt der Historiker und Leiter des Institutes, Stefan Karner anhand eines konkreten Beispiels. Dieses drehte sich um eine Frau, deren letzte Information über ihren Vater war, dass dieser in einem Gefangenenlager bei Stalingrad interniert worden war.

In den Kriegswirren wurde nichts aufgezeichnet

„Das Problem für uns war, in diesem Massensterben wurde kaum etwas aufgezeichnet. Man kann sich das vorstellen, da waren andere Notwendigkeiten, aber es hat sich etwas erhalten von ihm, so dass wir diesen Mann finden konnten. Er wurde von dort durch Zufall auf einen Eisenbahntransport verlegt und kam nach Kasachstan und dort hat er dann noch ein Jahr im Lager gelebt. Und dort ist er dann verstorben und seine Tochter konnte zum ersten Mal Gewissheit bekommen, was mit ihrem Vater war“, so Karner.

Geklärt wurde auch das Schicksal vieler der rund 150.000 Zwangsarbeiter in Österreich während der NS-Zeit. Das Ludwig-Boltzmann-Institut hat zudem in den vergangenen 20 Jahren Forschungsschwerpunkte zu den Themen „Prager Frühling", „Der Wiener Gipfel 1961: Kennedy – Chrušcev", oder „Besatzungskinder" gesetzt. Insgesamt wurden 44 Bücher veröffentlicht und zahlreiche Ausstellungen kuratiert, bzw. internationale Konferenzen abgehalten - mehr dazu in Konferenz über Zwangsarbeiter und ihre Schicksale (20.10.2011).

Weltweites Forschernetzwerk

Karner schreibt den großen Erfolg des Forschungsinstitutes zu einem Gutteil auch dem internationalen Netzwerk an renommierten Wissenschaftern und Forschern zu, die von den USA bis Russland eng miteinander verwoben sind.

Für die Zukunft ist Karner voller Tatendrang: „Natürlich einmal, dass wir die Geschichte Ost-Mitteleuropas neu schreiben, wir haben ganz viele Projekte dazu schon durchgeführt. Zweiter Punkt: der Erste Weltkrieg, der nächstes Jahr vor hundert Jahren begonnen hat. Der dritte Schwerpunkt, und das sage ich jetzt mit aller Vorsicht, dass wir die Gefangenen unter Tito ebenfalls werden bearbeiten können.“

Im damaligen Jugoslawien waren laut Karner im und nach dem Zweiten Weltkrieg rund 90.000 Österreicher und Deutsche gefangen genommen worden. Nur 8.000 von ihnen kehrten wieder.

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