NR-Wahl: Gemeindeproteste wirkten sich aus

SPÖ und ÖVP haben die Proteste gegen die Gemeindefusionen offenbar zu unrecht als von Minderheiten getragen abgetan: Beide verloren in der Steiermark überproportional viel. Meinungsforscher sehen allerdings keinen direkten Zusammenhang.

Die beiden „Reformpartner“ SPÖ und ÖVP wiegelten stets ab und sahen die Proteste gegen die geplanten Gemeindefusionen von Minderheiten getragen. Die Ergebnisse der Nationalratswahl zeigten allerdings, dass dies offenbar eine Fehleinschätzung von Volkspartei und Sozialdemokraten war.

Profitieren konnte vor allem die FPÖ, die nicht nur in vielen Kommunen, sondern sogar landesweit Nummer eins wurde - mehr dazu in FPÖ in der Steiermark auf Platz eins und in Alle Ergebnisse aus der Steiermark (ORF.at/wahl13); auch in den Reaktionen der steirischen Spitzenkandidaten war die Auswirkung der Gemeindefusionen Thema - mehr dazu in Reaktionen der Spitzenkandidaten.

Deutliche Verluste für die ÖVP

In der kleinsten steirischen Gemeinde, Freiland, die nicht mit der Bezirkshauptstadt Deutschlandsberg fusioniert werden will, verlor die ÖVP die Hälfte der Stimmen (minus 24,53 Prozentpunkte). Ähnlich dramatisch waren die Einbrüche in Reichendorf (Bezirk Weiz), wo die Freiheitlichen mit 54,43 Prozent zur absoluten Mehrheit kamen, oder in Teufenbach im Bezirk Murau, wo die Volkspartei 29 Prozentpunkte verlor.

In Ganz (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) kassierte die ÖVP ein Minus von 35,68 Prozentpunkten, in Salla (Bezirk Voitsberg) 28,41, in Gersdorf an der Feistritz (Bezirk Weiz) 23,95, in St. Nikolai im Sölktal (Bezirk Liezen) 23,59 Prozentpunkte; dramatisch für die Volkspartei auch das Minus in den Nachbargemeinden von Schladming - Rohrmoos-Untertal und Pichl-Preunegg - mit minus 20,90 bzw. 25,58 Prozentpunkten.

Verluste auch für die SPÖ

Nicht viel besser erging es den in den kleineren Gemeinden ohnedies schwächer aufgestellten Sozialdemokraten: In Pichl-Kainisch im Ausseerland verloren sie 30,38 Prozentpunkte, in Gschnaidt (Bezirk Graz-Umgebung) 18,56, in Rabenwald (Bezirk Weiz) 18,20, in Gams bei Hieflau (Bezirk Liezen) 17,10, in Etmißl (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) 16,39, in Sulztal (Bezirk Leibnitz) 16,12, Kainach (Bezirk Voitsberg) 14,58 und in Ratschendorf (Bezirk Südoststeiermark) 13,63 Prozentpunkte.

Höf-Präbach: FPÖ nun stärkste Kraft

In Höf-Präbach, wo Gemeininitiativen-Sprecher und ÖVP-Bürgermeister Florian Taucher zum Boykott von SPÖ und ÖVP aufgerufen hatte, verlor die ÖVP 22,11 Prozentpunkte und die SPÖ 6,11 Prozentpunkte, wodurch nun die FPÖ mit plus knapp zehn Prozentpunkten und 26,99 Prozent stärkste Kraft ist; auch Stronach (14,36 Prozent), Grüne (12,02 Prozent) und NEOS (9,82 Prozent) schnitten hier überproportional gut ab.

Wahlergebnis Höf-Präbach

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Florian Taucher

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Florian Taucher

Taucher: Landesführung verantwortlich

„Ich vermute, dass die Gemeindefusionen da ein Schärfchen beigetragen haben. Es gab auch einen Solidarisierungseffekt in Gemeinden mit positiven Beschlüssen“, sagte Taucher in einer ersten Stellungnahme. „Es tut mir nach wie vor weh. Aber, wenn wer fragt, wer verantwortlich ist, muss ich sagen: Unsere Landeshauptleute und unsere Landtagsabgeordneten.“ Sie hätten die Anliegen der Kommunen nicht ernst genommen und die direkte Demokratie mit den Füßen getreten. Taucher zitierte noch die Aussage einer Wählerin im Wahllokal: „Über die Gemeindefusion haben sie uns nicht abstimmen lassen, aber heute dürfen wir wählen.“ Die Landesspitze habe nun die Verantwortung zu tragen und müsse zurücktreten, heißt es - mehr dazu in Gemeindeinitiative fordert Rücktritte.

Filzmaier ortet Unterschied der Meinungen

Für den Politologen Peter Filzmaier, so seine Analyse im ORF-Wahlstudio, zeigt sich am Erfolg der FPÖ in der Steiermark und am Absacken von SPÖ und ÖVP neben dem Unmut über die Gemeindefusion vor allem ein Unterschied zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung: „Während ÖVP und SPÖ für die Gemeindefusion in den Medien gelobt wurden, sah man das auf der Straße offenbar anders“, so Filzmaier.

Ogris: Boykott-Aufruf fruchtete nicht wirklich

Günther Ogris vom SORA-Institut meint nach seiner Analyse des steirischen Ergebnisses, dass der Boykott-Aufruf nicht wirklich gefruchtet hat: „Da steckt sicher auch etwas von diesem Protest in diesen Ergebnissen drinnen, allerdings gibt es kaum Unterschiede zwischen den Gemeinden, wo die Bürgermeister protestieren und den anderen steirischen Gemeinden, das trifft nur die ÖVP mit etwa 2.500 Stimmen.“

Reformpartner sehen keine direkte Verbindung

Auch die Spitzen der Landesregierung wollten am Wahlabend keine direkte Verbindung zwischen den Reformen im Gemeindebereich und dem schlechten Wahlergebnis für Rot und Schwarz sehen. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) will sich von seiner „Strukturpartnerschaft“ nicht abbringen lassen und verwies gegenüber dem ORF Steiermark darauf, dass die FPÖ auch in Bezirken wie Bruck an der Mur und Leoben voran liege: „Die Gemeinden dort sind überhaupt nicht von der Zusammenlegung betroffen.“ Auch ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer (ÖVP) verwies auf „flächendeckende“ Stimmenverluste, zudem sei die Steiermark „anfällig“ für Proteststimmen für die FPÖ - mehr dazu auch in „‚Reformpartnerschaft‘ nicht schuld“.

Bund: SPÖ voran, ÖVP knapp vor der FPÖ

Trotz großer Verluste eine knappe Mehrheit für rot-schwarz, deutliche Gewinne für FPÖ, kleinere Gewinne für die Grünen, das Team Stronach bleibt unter den Erwartungen, und das NEOS zieht in den Nationalrat ein - so das Ergebnis der Nationalratswahl 2013 - mehr dazu in SPÖ voran, ÖVP knapp vor FPÖ (news.ORF.at) und in Die Ergebnisse der Nationalratswahl 2013 (ORF.at/wahl13).

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