Über 300 Akten liegen gelassen: Freispruch

In Graz ist am Dienstag eine Referentin des Strafamtes der Bundespolizeidirektion vor Gericht gestanden. Die Anklage lautete auf Amtsmissbrauch, da sie über Jahre hinweg mehr als 300 Akten unbearbeitet in einem Schrank abgelegt hatte. Das Urteil: Freispruch.

18.000 Euro Schaden seien der Republik entstanden, so der Staatsanwalt - durch Strafgelder, die deshalb nicht eingetrieben werden konnten, weil die heute 58-Jährige 333 Akten einfach unbearbeitet ließ.

Beim ersten Prozess zu zehn Monaten Haft verurteilt

Die Frau war bereits 2012 zu zehn Monaten bedingte Haft verurteilt worden - mehr dazu in Über 300 Akten liegen gelassen: Referentin verurteilt (14.11.2012); weil aber die 333 Akten nicht differenziert betrachtet, sondern als ein einziger Tatbestand angesehen worden waren, wurde der Nichtigkeitsbeschwerde stattgegeben.

Nun hatte die Staatsanwaltschaft rund 120 Akten herausgenommen, und zwar jene, bei denen kein Schaden entstanden war, weil das Verfahren sowieso eingestellt worden wäre. Bei der Anklage wegen Amtsmissbrauchs blieb es aber, weil die Beamtin „Kontrollmechanismen bewusst umgangen ist und in Listen die Akten falsch eingetragen hat, um ihre Tat zu verschleiern“, prangerte die Staatsanwältin an.

„Gewisser Ausfall wird toleriert“

Ganz anders sah das die Beschuldigte, die nach eigenen Angaben rund 250 neue Akten pro Monat dazubekommen und sich permanent überlastet gefühlt hat: „Es gab keine Urlaubsvertretung, sondern es ist alles liegen geblieben“, schilderte sie. Ihr Verteidiger meinte, dass hier sowieso kein Amtsmissbrauch gegeben sei, sondern das Ganze allenfalls ein Fall für die Dienstaufsicht sei: „Es gibt keine Fristenlisten, nur alle heiligen Zeiten einen Rückstandsausweis, man kann das nicht dem untersten Glied der Kette in die Schuhe schieben“, so der Anwalt, der sich überzeugt zeigte: „Aufgrund der Menge der Akten wird ein gewisser Ausfall toleriert.“

Leiter: „Immer mehr Verfahren, nie mehr Personal“

Bei bis zu 80.000 Akten, die das Strafamt pro Jahr zu erledigen hat, fallen 300 auch nicht gleich auf, dennoch fand der Chef des Grazer Strafamtes die liegen gebliebenen Akten. Auch der Strafamtsleiter sprach beim ersten Prozess von einer permanenten Überlastung in seiner Abteilung: Es gebe immer mehr Verfahren, aber nie mehr Personal. Die Angeklagte wiederum sagte, sie habe damals mehrmals bei ihrem Vorgesetzten um personelle Hilfe gebeten, doch ihre Wünsche seien ungehört geblieben.

War die 58-Jährige beim ersten Prozess 2012 des Amtsmissbrauchs noch schuldig gesprochen worden, so lautete das Urteil diesmal Freispruch; da der Staatsanwalt aber noch keine Erklärung abgegeben hat, ist es noch nicht rechtskräftig.