Grazer NS-Mahntafeln: Abbau trotz Widerstands

Die NS-Mahntafeln in Graz, ein Kunstprojekt von Jochen Gerz mit dem Titel „63 Jahre danach“, werden abgebaut. Diese Entscheidung fiel am Freitag im Stadtsenat. Ihr war heftiger Widerstand vorangegangen. Noch am Freitag begann der Abbau.

Mahnmal Graz

APA / Institut für Kunst im öffentlichen Raum

Das Projekt „63 Jahre danach“ ist ein Projekt des Landes Steiermark, Graz ist für die Aufstellung über das Straßenamt zuständig

Die zehn in Graz aufgestellten Tafeln, die mit Bildern und Texten zur Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes beitragen sollen, stehen seit längerem im Mittelpunkt einer politischen und kulturellen Diskussion.

Ende mehrheitlich beschlossen

Im Jahr 2010 wurden die Tafeln erstmals aufgestellt, viermal wurde die Genehmigung verlängert, mit Ende Juli sollen die Tafeln nun wirklich abgebaut werden. Eine neuerliche Verlängerung, zumindest bis 2018, scheiterte an einem Abrissbescheid aus dem Straßenamt. Auch ein neuerlicher Antrag der Grünen ist am Freitagvormittag von der Grazer Stadtregierung mehrheitlich abgelehnt worden.

Abbau ab sofort

Noch am Freitag wurde mit dem Abbau der Tafeln begonnen, die oberen Teile werden entfernt. Bis 31. Juli müssen die Tafeln zur Gänze abgebaut sein, sonst drohen Geldstrafen, so Elisabeth Fiedler. Sie leitet die Abteilung Kunst im öffentlichen Raum des Universalmuseums Joanneum: „Ich schäme mich, dass das so ausgegangen ist und wir eigentlich gezwungen sind, die Tafeln wegräumen zu müssen“, so Fiedler.

Eustacchio-Büro: Nur formale Kriterien

Aus Behördensicht sei eine weitere Verlängerung nicht mehr möglich, so der zuständige Stadtrat Mario Eustacchio (FPÖ). Er war bei der Abstimmung im Stadtsenat am Freitag nicht dabei, da er auf Urlaub ist. Es sei keine inhaltliche Frage, hieß es aus seinem Büro, sondern man würde sich nur nach formalen Kriterien richten. Die Tafeln würden in sensiblen Bereichen stehen, etwa Zufahrten verstellen, deshalb sei das Projekt auch nur temporär möglich.

Rücker enttäuscht

SPÖ, KPÖ und die Grünen haben sich politisch für das Projekt starkgemacht. Lisa Rücker von den Grünen zeigte sich enttäuscht über das Projekt-Aus. Die Entscheidung liege bei Eustacchio, so Rücker: „Er hätte ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, zu sagen, ja, wir gehen auf den Kompromiss ein, das wäre machbar gewesen.“

„In Graz, das sich im Nationalsozialismus stolz den Titel ‚Stadt der Volkserhebung‘ gab, ist diese Entscheidung ein besonders bedenkliches Zeichen“, sagte Rücker. Bei einem so sensiblen Thema wie der Gedenkkultur klein beizugeben, zeige die Schwäche der ÖVP, die das Feld der FPÖ überlasse, „die sich nun mit ihrer unwürdigen Haltung zur Gedenkkultur durchgesetzt hat“.

Nagl schlug Schulprojekt vor

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) sagte am Freitag, er habe mit Eustacchio noch einmal über eine Verlängerung gesprochen, er werde die Entscheidung im Stadtsenat aber nicht übergehen und habe sie zur Kenntnis genommen. Nagl schlug vor, das Kunstprojekt an anderer Stelle einzusetzen, etwa in Form eines Schulprojekts. Die FPÖ hatte vorgeschlagen, die Tafeln im Skulpturenpark aufzustellen. Gemeinsam mit dem Künstler Jochen Gerz soll eine Lösung gefunden werden.

Schröck ortete mangelnde Empathie

Die Grazer Vizebürgermeisterin Martina Schröck (SPÖ), die sich für eine Verlängerung des Kunstprojektes bis Ende 2015 ausgesprochen hatte, sagte, „dies zum Beispiel in ein Schulprojekt zu geben, wie die ÖVP das nun durchgesetzt hat, macht aus meiner Sicht keinen Sinn, da die Objekte ortsbezogen sind. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man sich genau jetzt, vor dem Gedenkjahr 2015, gegen die einjährige Verlängerung entschieden hat. Hier orte ich mangelnde Empathie für die Opfer des Nationalsozialismus und Taktlosigkeit im Vorgehen.“

Lösung mit Künstler angedacht

Gerz ist gerade auf einer Reise und konnte daher nicht Stellung nehmen. Sie glaube aber nicht, dass Gerz auf so einen Vorschlag eingehen wird, so Elisabeth Fiedler vom Joanneum. „Dem Grunde nach ist es ja so, dass der Herr Gerz das genau konzipiert hat, es sind ortsabhängige Projekte, also jede Stelle der Stadt Graz ist genau ausgewählt worden, und auch die Tafeln dazu“, so Fiedler.

Acht Tafeln stehen übrigens in anderen Bezirken, eine davon in Leoben. Vom Kulturreferent hieß es dazu, dass die Tafel am Buchmüllerplatz ohne weiteres stehen bleiben könne.

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