Großprozess mit 98 Angeklagten in Messehalle

In einer Halle der Grazer Messe hat der Prozess wegen Amtsmissbrauchs mit 98 Angeklagten begonnen. Ein Magistratsbeamter soll sich für Gewerbeberechtigungen bestechen haben lassen. Er bekannte sich teilweise schuldig.

Der Amtsmissbrauchsfall war 2010 bekanntgeworden und hatte die sofortige Suspendierung des damals 55 Jahre alten Beschuldigten zur Folge. Laut Anklage soll der Beamte zwischen März 2003 und Oktober 2010 Schmiergelder für Gewerbescheine kassiert und Gebühren unterschlagen haben. Bis zu 7.000 Euro sollen die Antragsteller dem Beamten gezahlt haben. Keiner von ihnen soll die nötigen Voraussetzungen - wie etwa Dienstzeugnisse oder Meisterbriefe - gehabt haben. Der Schaden beträgt mehr als 100.000 Euro. Im Falle eines Schuldspruchs drohen dem Hauptangeklagten sechs Monate bis zu fünf Jahre Haft.

Prozess

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Der Gerichtssaal musste in eine Halle der Messe Graz verlegt werden

Hauptangeklagter zum Teil geständig

„Ich bin geständig, grundsätzlich Geld entgegengenommen zu haben, weiß aber nicht mehr, wie die einzelnen Fälle abgelaufen sind“, erklärte der angeklagte Magistratsbeamte Montagvormittag. Er gab an, nur Gebühren eingehoben zu haben, diese aber nicht weitergeleitet zu haben. Direktes Schmiergeld habe er nie verlangt. „Sie sind der Hauptakteur“, so der Richter zum 59-jährigen Magistratsbeamten. Weiters erklärte er dem Beschuldigten: „Es würde ein einziges Faktum für eine Verurteilung reichen.“ Tatsächlich waren es aber von 2002 weg zahlreiche Fälle, die Summe der Bestechungsgelder wurde von der Anklagebehörde mit 29.000 Euro beziffert. Diesen Betrag soll der Beschuldigte zwar kassiert, aber nie weitergeleitet haben, weshalb sich die Stadt Graz als Geschädigte dem Verfahren angeschlossen hat. „Schmiergeld ist nicht gefordert worden?“, hakte der Richter nach. „Nein“, so der Beschuldigte. „Geständig, aber nicht zu allem“, lautete schließlich die Verantwortung des Angeklagten, der alle Fälle einzeln durchgehen möchte.

„Amtsmüder Beamter mit Eheproblemen“

Der Verteidiger des Erstangeklagten führte ins Treffen, dass sein Mandant 25 Jahre lang „seine Arbeit ordentlich gemacht“ habe, die angeklagten Fälle hätten nur „fünf bis sieben Prozent“ aller Bescheide betroffen. Mehrere Faktoren haben laut Verteidiger zu den Vorfällen geführt: „Er hatte Eheprobleme und war ein amtsmüder, ausgebrannter Beamter“, schilderte der Anwalt. Außerdem hätten durch den EU-Beitritt viele Bestimmungen nicht mehr gegolten: „Was bis gestern noch notwendig war, war heute nicht mehr nötig“, so der Anwalt.

Messe Graz

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Bis Jahresende ist die Halle D der Grazer Messe Gerichtssaal.

Sessel statt Anklagebank

Ursprünglich waren 209 Personen angeklagt - durch diversionelle Erledigung wurden aber zahlreiche Verfahren bereits beendet; übrig blieben nun 98 Angeklagte. Dort, wo im Normalfall Messestände aufgebaut sind und Verkäufer versuchen, ihre Waren und Produkte den Messegästen schmackhaft zu machen, startete Montagfrüh der Großprozess. Bevor die 98 Angeklagten und ihre Anwälte auf der Anklagebank, in diesem Fall 98 Sessel mit Namensschildern, Platz nehmen durften, mussten sie durch eine der vier Sicherheitsschleusen. Danach wurden die Personalien aufgenommen.

Kommentatorenkabinen für Dolmetscher

Hinter dem Richter und den Schöffen wurden auf Tischen in der Länge von insgesamt 17 Metern die Akten aufgestapelt. Im hinteren Bereich der Halle wurden sieben Kommentatorenkabinen aufgestellt. In diesen sitzen die Dolmetscher, die für die Angeklagten den Prozess simultan in neun Sprachen übertragen. Von den 98 Angeklagten waren einige nicht erschienen, diese sollen am Dienstag von der Polizei vorgeführt werden. Zwei sind im Krankenhaus, von den restlichen bekannten sich gleich einmal über 40 für schuldig und baten um diversionelle Erledigung.

Zwei Drittel für außergerichtliche Einigung

Der Staatsanwalt hatte keine Einwände, also wurden insgesamt 870 Euro an Bußgeld und Verfahrenskosten pro Angeklagtem verhängt, und die fünf Reihen mit Beschuldigten begannen sich zu lichten. Nach einer kurzen Pause fiel noch einigen ein, dass sie auch gerne auf diese Weise aus der Sache herauskommen wollten, und so blieb letztlich am ersten Verhandlungstag nur ein Drittel übrig. Keine Diversion gibt es naturgemäß für den Hauptangeklagten und auch nicht für jene, die angeblich als Vermittler zwischen dem Beamten und den „Kunden“ tätig waren. Für diese Angeklagten soll es bis Ende des Jahres ein Urteil geben.

Prozess

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Die Angeklagten und Verteidiger nahmen auf Sesseln Platz

Zusätzlich Securitymitarbeiter beschäftigt

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. In den nächsten Wochen sollen die genauen Malversationen rund um Gewerbescheine und dafür geleistete Schwarzzahlungen zur Sprache kommen, wobei die meisten, die auf der Anklagebank Platz nehmen werden, nur Beitragstäter sind. Erschwerend für die Abwicklung kommt dazu, dass die Beschuldigten aus verschiedenen Nationen sind und Übersetzungen benötigt werden. Außerdem müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, da die Halle D nicht - wie das Gericht - über eine Sicherheitsschleuse beim Eingang verfügt. Es werden daher sieben Securitymitarbeiter zusätzlich beschäftigt, damit ein zügiges Abfertigen der Eintretenden möglich ist.

Auch zu Weihnachten und Silvester wird verhandelt

Der Richter hat den Prozess bis 31. Dezember, 18.00 Uhr, ausgeschrieben, verhandelt wird laut Plan auch am 24. Dezember, ebenfalls bis zum Abend. Da die Halle D vorerst nur bis Ende Dezember angemietet wurde, wird offenbar keine Minute vergeudet, egal, ob Weihnachten oder Silvester. Über die Kosten hüllt man sich in Schweigen. Aber bei Strafverfahren dürfe in einer Demokratie ohnehin keine Kosten-Nutzen-Rechnung erfolgen, heißt es bei Gericht - sonst müsse man die Staatsform wechseln.