Gemeindefusionen: Enttäuschung in Gemeinden

Enttäuscht zeigen sich die Bürgermeister jener Gemeinden, die beim VfGH mit ihrer Beschwerde gegen die Gemeindefusionen abgeblitzt sind. Ein Gang vor den Europäischen Gerichtshof wird überlegt, dieser verspricht aber wenig Erfolg.

Die neue Steiermark

Mit 1. Jänner 2015 schrumpft die Anzahl der steirischen Gemeinden auf insgesamt 287: Alle Gemeinden im Überblick.

Der Verfassungsgerichtshof entschied am Dienstag im Fall von 16 Gemeinden, dass die Fusionen rechtlich korrekt sind. Freude bei den „Reformpartnern“ SPÖ und ÖVP, Enttäuschung bei der Opposition waren die Folge - mehr dazu in VfGH: Gemeindefusionen nicht verfassungswidrig.

Groß ist die Enttäuschung auch in jenen Gemeinden, die sich von den Verfassungsrichtern die Aufhebung der Zusammenlegungen erhofft hatten.

Tauplitz: „Demokratie mit Füßen getreten“

Seine Stimmung sei am Boden, sagte etwa Peter Schweiger, der Bürgermeister von Tauplitz: „Die Demokratie ist mit Füßen getreten worden. Ursprünglich haben die Landesspitzen angekündigt, es gibt nur freiwillige Fusionen, letztlich ist man aber doch drübergefahren.“

Die kleineren Gemeinden würden verlieren, weil die Infrastruktur genau dort ausgedünnt werde, so Bürgermeister Schweiger. Auf die Frage, ob er sich in die Vorarbeiten zur Fusion mit Bad Mitterndorf und Pichl-Kainisch bis zum 1. Jänner aktiv einbringen werde, sagte er: „Man hat ja von Seiten der Gemeinden alles versucht, um eigenständig zu bleiben. Wie soll ich jetzt eine ausgestreckte Hand annehmen, wenn ich nicht fusionieren will, wenn der Zwang trotzdem da ist?“

Grambach: „Ärmel aufkrempeln und Fusion umsetzen“

Anders reagierte Peter Gspaltl, der Bürgermeister von Grambach: Die Unsicherheit habe ein Ende, die Entscheidung sei zu akzeptieren. „Für uns ist das eindeutig der Auftrag, die Ärmeln aufzukrempeln und die Fusion umzusetzen gemeinsam mit unserer Nachbargemeinde, um zum Wohle der Bevölkerung mit 1. Jänner den Schalter umlegen zu können, damit verwaltungstechnisch alles passiert, was wir tun müssen und tun können“, so Gspaltl.

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Birgit Zeisberger berichtet in „Steiermark heute“ über den Spruch des VfGHs zu den Gemeindefusionen und die Reaktionen darauf

Gemeindefusionen ein Fall für die Europäische Union?

Florian Taucher, Mitverantwortlicher der Gemeindeinitiative, die mit der Gemeindestrukturreform des Landes Steiermark nicht einverstanden ist, zeigte sich von der Entscheidung des Höchstgerichts überrascht - immerhin hätten sich fast überall die Bürger gegen die Fusionen ausgesprochen: „Wir haben über 110.000 Leute befragt in den betroffenen Gemeinden. Wenn man über die Gemeindebürger jetzt drüberfährt, muss ich schon sagen, ob das nicht ein bisschen ein Hohn ist, wenn ein Landeshauptmann sagt, er ist stolz auf dieses Ergebnis vom Verfassungsgerichtshof.“

Zweigeteilte Stimmung

Auch im oststeirischen Altenmarkt wurde alles unternommen, um Fürstenfeld aus den Armen zu laufen - die kleine Landgemeinde soll mit der Bezirkshauptstadt fusioniert werden. Die Stimmung im Ort ist zweigeteilt, wie Radio Steiermark-Reporter Erich Fuchs feststellte:

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Die Gemeindeinitiative fordert eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für Gemeinden und überlegt, die Angelegenheit auf die europäische Ebene zu heben. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berücksichtige offenbar die mittlerweile in Europäisches Recht eingeflossene Charta der lokalen Selbstverwaltung nicht, so die Initiative.

Interessant sei im Zusammenhang mit der VfGH-Entscheidung auch, dass - obwohl in allen behandelnden Gemeinden ein klares Votum der Bevölkerung gegen die Fusion vorliegt - diese in der Sachlichkeitsprüfung keine Berücksichtigung fanden. In der Judikatur der Vergangenheit sei es eine klare Position des VfGH gewesen, dass eine Fusion Vorteile für die betroffene Bevölkerung bringen muss, argumentiert die Gemeindeinitiative - davon sei der VfGH in dieser Entscheidung total abgerückt, so Taucher.

Experte: Anfechtung auf EU-Ebene nicht möglich

Allzu große Hoffnung sollten sich die Gemeinden aber nicht machen - zumindest wenn man dem Grazer Europarechtsexperten Hubert Isak Glauben schenkt: Die Charta der lokalen Selbstverwaltung sei demnach ein Übereinkommen im Rahmen des Europarates und nicht EU-Recht. „Das heißt, da damit auch keine Verletzung von Unionsrecht vorliegt, sehe ich keine Möglichkeit, wie man den Europäischen Gerichtshof damit befassen könnte“, so Isak.

Der Europäische Gerichtshof könne nur dann angerufen werden, wenn die EU selbst in die Identität der Gemeinden eingegriffen hätte, aber, so Hubert Isak, „das ist hier nicht der Fall, weil ja kein Rechtsakt der Europäischen Union vorliegt, sondern es ist ja eine Landesgesetzgebung - es ist gewissermaßen eine Angelegenheit der österreichischen Rechtsordnung.“

Im Europarat gibt es zwar den Kongress der Regionen und Gemeinden - seine Aufgabe ist es, so Hubert Isak, die Einhaltung der Charta der lokalen Selbstverwaltung zu überwachen. Maximal könnten Empfehlungen abgegeben werden, und die auch nur an den Europarat selbst - entscheiden könne das Gremium gar nichts: „Eine Möglichkeit, direkt in die Organisation der Gemeinden der Mitgliedsstaaten einzugreifen, ist damit aber natürlich überhaupt nicht gegeben.“

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