Jede dritte Gemeinde ohne Nahversorger

Einkaufen beim Händler ums Eck - das gibt es in immer weniger steirischen Gemeinden: Jede dritte steirische Kommune hat keinen vollwertigen Nahversorger mehr. Experten raten zu mehr Regionalität und zusätzlichen Dienstleistungen.

Früher gab es in einigen Gemeinden noch mehr als einen Nahversorger, laut den aktuellen Zahlen der Wirtschaftskammer Steiermark findet sich nun aber in jeder dritten Gemeinde kein Geschäft mit vollem Sortiment mehr - und die Zahl der Nahversorger wird nach Schätzungen der Wirtschaftskammer in den nächsten Jahren noch weiter zurückgehen.

Nahversorger, Gemeinden, Rückgang

APA/dpa/Julian Stratenschulte

Nahversorger können laut Experten mit zusätzlichen Dienstleistungen punkten

Billig, billiger, am billigsten

Das Problem sei, dass der Kunde immer günstiger einkaufen will, das sei aber der Tod für die Kleinen, heißt es bei der Wirtschaftskammer. Ein schwarzer Tag wird der Montag etwa für den Betreiber eines Spar-Marktes in St. Lorenzen im Mürztal: Gerald Kugler sperrt zum letzten Mal auf. Er kündigte Ende 2012 einen, wie er sagt, sicheren Job und richtete seine Lebensplanung auf das Geschäft aus. Seit Juni des Vorjahres sammelte sich ein Minus von 180.000 Euro an, der Umsatz sei massiv zurückgegangen: „Wir haben eine Kundenfrequenz von 380 bis 420 Kunden, wenn ich das mal zehn rechne, das ist die Höchstsumme, sind das 4.200 Euro am Tag, das deckt die Kosten natürlich absolut nicht mehr.“

Kundenverhalten hat sich geändert

Um zu überleben, hätten mehr Kunden aus der Umgebung einkaufen müssen - die meisten hätten aber die Großeinkäufe auswärts erledigt und nur das „Vergessene“ bei ihm gekauft.

Ein Umsatzrückgang sei nichts anderes als ein Ausdruck eines veränderten Kundenverhaltens, bestätigt Thomas Foscht, Vorstand des Institutes für Marketing an der Universität Graz: „Letztendlich, wenn man das aus einer anderen Perspektive betrachtet, kann man sagen, das ist ein Henne-Ei-Problem: Einerseits hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte das Verhalten geändert, also beispielsweise dass Kunden vermehrt in Super- oder Verbrauchermärkte fahren und dort einkaufen. Andererseits hat sich das Angebot dieser Märkte vergrößert, und auch dadurch wurde das Verhalten verändert.“

Bevölkerungsrückgang setzt Nahversorgern zu

Das Verhalten der Kunden werde sich nicht mehr gravierend verändern, so Foscht. Aber auch die demografische Entwicklung wirke sich auf den Handel aus: „In diesen Regionen, in denen es einen Bevölkerungsrückgang gibt, wird es natürlich auch zunehmend schwieriger für Händler zu überleben, weil einfach die Kaufkraft in Summe nicht vorhanden ist, dass man dort wirtschaftlich ein Geschäft betreiben kann.“

Regionalität und Zustelldienste

Es bestehe aber durchaus noch die Möglichkeit, dass sich ein Nahversorger in der heutigen Zeit profilieren kann, ist Thomas Foscht überzeugt. „Wenn man sich etwa diese Entwicklungen zu regionalen Produkten anschaut: Ein Nahversorger kann sich mit regionalen Produkten differenzieren. Andererseits ist es eine Möglichkeit, sich zu profilieren, wenn man zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die andere nicht anbieten“, so Foscht.

Auf diese Weise versucht es etwa Oliver Hofer in Maria Lankowitz im Bezirk Voitsberg - auch ein Bezirk mit deutlichem Bevölkerungsrückgang. Er betreibt seit Juli des Vorjahres den Nahversorger im Ort, sein Vorgänger sperrte Ende 2013 zu. Hofer verkauft Bioprodukte von Produzenten aus der Umgebung - das werde sehr geschätzt, sagt er. Außerdem stellt er Lebensmittel zu. Als Nahversorger habe man viel Arbeit, und man müsse eben kämpfen, um etwas zu erreichen, so Hofer.