Bildungsexperte Bernd Schilcher tot

Der steirische Bildungsexperte und -politiker Bernd Schilcher ist tot. Der Universitätsprofessor war Jahrzehnte für die ÖVP in verschiedenen Ämtern tätig. Freitagabend verstarb er völlig überraschend im 75. Lebensjahr.

Bernd Schilcher

APA/Hans Klaus Techt

Am 22. Juli wäre Bernd Schilcher 75 Jahre alt geworden.

Bernd Schilcher wurde in den 70er Jahren einer der Querdenker in der steirischen Volkspartei und engagierte sich vor allem im Bereich des Bildungswesens: Er trat schon früh für die Ganztagsschule ein und befürwortete die Gesamtschule als Instrument der Schaffung gleicher Aufstiegschancen unabhängig von der sozialen Herkunft.

Schon in frühester Jugend, sagte Schilcher anlässlich seines 70. Geburtstags, habe er sich mit Bildungsfragen beschäftigt. Die Trennung der Schüler mit zehn Jahren habe er erstmals infrage gestellt, als er seine drei besten Freunde durch deren Wechsel in die Hauptschule verlor; dass seine Klassenkollegen an der AHS nach dem Unterricht ins Lerninstitut gingen und nicht an der Schule gefördert wurden, erschien ihm ebenfalls absurd. „Mich haben schon immer die Strukturen und die ständischen Überlegungen interessiert“, so Schilcher.

Wenige Freunde in der Lehrervertretung

Bei der Lehrervertretung machte sich Schilcher mit seinen teils sehr anschaulichen Überlegungen wenige Freunde. Für Aufregung sorgte er etwa mit seiner Forderung nach ganztägiger Anwesenheit der Pädagogen an der Schule: „Die Zeit der ‚Auspufflehrer‘, von denen man um elf nur noch den Auspuff gesehen hat, ist vorbei.“ Die Gewerkschaft sah er als reine Privilegienbewahrerin, von der keine inhaltlichen, sondern ausschließlich finanzielle Forderungen kämen. Auch mit der eigenen Partei ging er gerne hart ins Gericht: Die Bildungspolitik der ÖVP bestehe nur aus Standespolitik, kritisierte er etwa wiederholt.

Einer der Väter der Neuen Mittelschule

Später schrieb er am ÖVP-Bildungsprogramm mit und bekleidete wichtige politische Ämter: So saß er von 1976 bis 1993 für die ÖVP im Landtag, davon von 1985 bis 1989 als Klubobmann. Darüber hinaus war er von 1974 bis 1991 Vertreter der Steiermark im ORF-Kuratorium und war seit 1976 in zahlreichen Vertretungs- und Aufsichtsratsfunktionen tätig. Von 1989 bis 1996 war er Präsident des steiermärkischen Landesschulrats, und er leitete auch jene internationale Expertenkommission, die das Konzept der Neuen Mittelschule erarbeitete.

Seit 2003 war Bernd Schilcher - er wäre am 22. Juli 75 Jahre alt geworden - im Ruhestand. Dennoch positionierte er sich vor allem in jüngster Zeit, gemeinsam mit anderen Altpolitikern wie Hannes Androsch und Erhard Busek, als Kritiker der österreichischen Bildungspolitik.

„Standesdenken tief drinnen bei den Österreichern“

Gerne verwies Schilcher auf die historischen Wurzeln des österreichischen Schulsystems: Dieses sei etwa deshalb so starr, weil es 1869 vom Militär aufgebaut wurde. Die vom Exerzieren kopierten 50-Minuten-Einheiten und die an die Trillerpfeife angelehnte Pausenklingel sind bis heute erhalten. Auch im Widerstand gegen die Neue Mittelschule sah Schilcher Gründe in der Geschichte: Die Bildungsbürger fürchteten, „ihren Vorrang einzubüßen. Das Standesdenken ist tief drinnen bei den Österreichern.“

Trauer und Betroffenheit

Das überraschende Ableben Schilchers rief Trauer und Betroffenheit hervor. ÖVP-Obmann und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner würdigte ihn als „große Persönlichkeit“, Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als „bildungspolitischen Visionär“. Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser sah ihn als „Vorkämpfer für ein schülergerechtes Schulsystem“.

„Reformvordenker unseres Landes“

Tief betroffen zeigte sich auch der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ). „Das Land Steiermark verliert mit Bernd Schilcher einen der ganz großen intellektuellen, liberalen, kreativen und innovativen Vordenker unseres Landes, den auch gelebte Menschlichkeit und Toleranz ausgezeichnet haben“, so der Landeshauptmann. „Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei seiner lieben Frau und seiner gesamten Familie.“

Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer würdigte Schilcher als einen „der größten und mutigsten Reformvordenker unseres Landes“, er sei „somit für uns alle ein Vorbild“. Die politische Landschaft verliere mit Schilcher einen „echten Liberalen“ und „chronisch Reformbegeisterten“, der Zeit seines wissenschaftlichen und politischen Lebens ein „programmatisch denkender und kreativer Mensch“ gewesen ist.

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka trauerte via Twitter um „einen großen politischen Kopf“ und „einen Freund, der mich seit 1983 immer unterstützt hat“. Auch NEOS-Chef Matthias Strolz kondolierte. Der KPÖ-Landtagsklub trauerte geschlossen: "Was er unter dem Wort „Reform" verstanden hat, hat diesen Namen wirklich verdient.“

„Spuren werden sich einprägen“

„Mit Dr. Bernd Schilcher ist uns eine kreative, prägende, herausragende bildungspolitische Größe vorausgegangen“, so die amtsführende Präsidentin des Landesschulrates, Elisabeth Meixner. „Seine Spuren, die sich in uns einprägen werden, sind für viele Wegweiser zu Mut für Gestaltung und Veränderung. Wir sind in Gedanken bei ihm. Er wird uns mit seinem Charme, seinem Wortwitz, seiner feinen Rhetorik und seiner Liebenswürdigkeit sehr fehlen.“

Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, beklagte: „Mit Bernd Schilcher verlieren die Steiermark und Österreich einen politischen Zukunftsdenker ohne Scheuklappen.“