Nach Amokfahrt: Die Stadt trauert

Die Geschäftigkeit des Wochentags hat die Grazer Herrengasse und den Hauptplatz nach der Amokfahrt eines 26-Jährigen am Samstag wieder. Was blieb, sind die vielen trauernden Menschen, aber auch zum Teil emotionale Kontroversen.

Bei der Amokfahrt am Samstag starben drei Menschen, 36 wurden verletzt, zwei davon schweben noch in Lebensgefahr - mehr dazu in Amokfahrt: Noch zwei Menschen in Lebensgefahr. Die Hintergründe sind noch unklar - mehr dazu in „Ausmaß war ihm nicht bewusst“ und in Tat offenbar nicht angekündigt (beide news.ORF.at).

Spendenkonto für Opfer und Angehörige

„Hilfsfonds für die Opfer der Amokfahrt in Graz“

  • IBAN: AT 46 2081 5000 4056 7521
  • BIC: STSPAT2GXXX

Auch am Montag herrschten in Graz noch tiefe Trauer und Betroffenheit. Die Stadt plant für kommenden Sonntag einen Trauerzug durch die Innenstadt, der teilweise der Route des Amoklenkers folgen wird; zudem tragen Ortstafeln und Uhrturm Trauerflor - mehr dazu in Nach Amokfahrt: Trauerzug am Sonntag. Für die Opfer wurde ein Spendenkonto eingerichtet.

Der Straßenlärm ebbt ab

Vor der Stadtpfarrkirche wurde auf einer Bank ein Bild des dort getöteten Buben in einem Rahmen aufgestellt. „Valentin“ steht schlicht unter dem Foto, das den lächelnden Vierjährigen zeigt; das Blumen- und Kerzenmeer ist hier am größten, hier ist auch der seit Samstag in der Herrengasse dominierende Geruch von Wachs und Paraffin am deutlichsten. Gedichte und auf Papier festgehaltene Gedanken, liegen zusammen mit Stofftieren vor der Kirche. Immer noch bringen Menschen Kerzen, hier ebbt der Straßenlärm deutlich ab.

Trauer in Graz

ORF.at

Stille Tränen in der Seitengasse

Die Behörden haben rot-weiße Scherengitter an den „Gedenkstellen“ aufgestellt, um die Durchfahrt der Straßenbahnen zu gewährleisten. In der Seitengasse, die von der Stadtpfarrkirche über einen verschlungenen Weg zum Bischofsplatz führt, sitzt eine ältere Frau am Zaun eines Innenstadtgartens und vergießt stille Tränen, und auch draußen auf der belebten Herrengasse ziehen die Menschen immer wieder Taschentücher.

Graz nach der Amokfahrt

APA/Elmar Gubisch

Die Geschäfte und Lokale sind wieder geöffnet, einige zeigen ihr Mitgefühl: Das persische Restaurant „Saray“ in der Jungferngasse hat eine Gastrotafel aufgestellt - auf ihr steht in Kreideschrift neben einer stilisierten Kerzenflamme: „Graz trauert - und wir mit“.

Für jeden seinen Trauerort

Weiter vorne Richtung Hauptplatz, wo in einem Schanigarten mehrere Menschen verletzt wurden, ersetzen junge Mädchen ausgebrannte Kerzenbehälter durch neue - eine Freundin sei hier verletzt worden, heißt es. Selbst mitten auf dem Hauptplatz räumen die Behörden kleine Kerzen-„Inselchen“ nicht weg - die Menschen sollen offenbar ihren winzigen, eigenen Trauerort haben dürfen.

Das Grazer Rathaus nach der Amokfahrt

APA/Elmar Gubisch

KIT bietet Hilfe an

Das Kriseninterventionsteam (KIT) des Landes Steiermark bietet auch in den kommenden Tagen kostenlose Unterstützung für Betroffene und Angehörige an: Das KIT ist ab sofort die ganze Woche von 8.00 bis 20.00 Uhr unter der Hotline-Nummer 0316/877-6551 in der Landeswarnzentrale sowie im Parterre des Grazer Rathauses erreichbar. Nach 20.00 Uhr kann das Kriseninterventionsteam über die Landeswarnzentrale-Notrufnummer 130 angefordert werden.

Auch vor dem ersten Tatort in der Zweiglgasse, wo ein Mann starb und seine junge Frau schwerst verletzt wurde, werden immer noch Blumen und Kerzen abgelegt. Dieser Ort wird wegen seiner Lage als Durchzugsstraße nicht so stark wahrgenommen - das Bild des jungen Paares tauchte am Samstag als erstes beim zentralen Hauptplatz auf.

Emotionsgeladene Diskussionen

Die Amokfahrt sorgt allerdings auch für emotionsgeladene Diskussionen und teils ausländerfeindliche Reaktionen im öffentlichen Raum: „Wie ist so etwas nur möglich?“, fragen sich viele und lassen die Antwort offen.

Einige meinen offenbar, die Antwort zu kennen: In einer Straßenbahn vom Hauptplatz zum Jakominiplatz sprechen zwei ältere Frauen miteinander. „Bosnier war er.“ Dann ist von „immer die“ die Rede. Den Hinweis eines Fahrgastes, dass im Mai 2003 ein 17-jähriger betrunkener Oberösterreicher auf der Flucht vor der Polizei am Grazer Glacis zwei Menschen, darunter einen neunjährigen Buben, mit seinem Auto getötet hatte, verpufft - fast - ohne Reaktion. „Ihr seid’s arm, Ihr Jungen, I leb’ eh net mehr lang, aber Ihr müsst’s damit leben.“

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