Nach Amokfahrt: Täter fühlte sich verfolgt

Nach der Amokfahrt in Graz ist am Dienstag der aktuellen Ermittlungsstand bekannt gegeben worden: „Der Täter gab an, dass er sich verfolgt fühlte“, sagte Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Der Täter ist in U-Haft.

Der 26-Jährige, der am Samstag bei einer Amokfahrt durch die Grazer Innenstadt drei Menschen getötet und mittlerweile 36 weitere zum Teil schwer verletzt hat, ist am Dienstag in Untersuchungshaft genommen worden. Der Mann gab bisher nur an, er habe sich verfolgt gefühlt, machte sonst aber wirre Angaben oder schwieg. Nach der Amokfahrt eines 26-Jährigen in der Grazer Innenstadt sind zwei der lebensgefährlichen Opfer nach wie vor in Lebensgefahr - mehr dazu in Amokfahrt: Zwei Opfer weiter in Lebensgefahr.

„Blieb im Wesentlichen bei bisheriger Aussage“

„Der Beschuldigte blieb auch gegenüber dem Haftrichter im Wesentlichen bei seiner bisherigen Aussage“, hieß es in der Aussendung der Staatsanwaltschaft Graz. Der beim Verhör auch anwesende psychiatrische Sachverständige sei zu dem Schluss gekommen, dass es bei derartigen Handlungen solchen Ausmaßes „derzeit noch absolut verfrüht“ sei, definitiv über die Frage der Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat zu entscheiden. Es bedürfe einer Untersuchung des Mannes über einen längeren Zeitraum, um eine entsprechende Diagnose stellen zu können. Eine akute ärztliche Behandlung bzw. ärztliche Beobachtung des Beschuldigten ist „zur Zeit nicht notwendig“.

Bisher keinen Verteidiger genannt

Spätestens am 7. Juli werde im Rahmen einer Haftverhandlung geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft weiter vorliegen. Bis dahin sollen weitere Befragungen und Untersuchungen durch den Sachverständigen stattfinden. Einen Verteidiger habe der Beschuldigte bisher nicht genannt. Das Gericht hat ihm daher einen Verfahrenshilfeverteidiger beigestellt.

Täter fühlte sich verfolgt und hatte Eheprobleme

Nach wie vor beschäftigt viele die Frage, was den 26 Jahre alten Mann am Samstag zu seiner Tat in der Grazer Innenstadt veranlasste. Bisher hatten die Einvernahmen des 26-Jährigen nichts Neues ergeben- mehr dazu in Amokfahrt: Befragung brachte wenig Aufschluss. Am Dienstag gab es nun neue Informationen zum aktuellen Ermittlungsstand. „Der Täter gab an, dass er sich verfolgt fühlte“, sagte Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Seine Ehefrau sagte aus, dass es unter anderem Eheprobleme gab, weil er gewalttätig wurde und wollte, dass sie ein Kopftuch trägt.

Christian Kroschl (Oberstaatsanwaltschaft Graz / vorne) und Rene Kornberger (Landeskriminalamt Steiermark)

APA/ Erwin Scheriau

Zuletzt bei den Eltern

Der Verdächtige soll sich seit seiner Wegweisung aus dem Elternhaus etwa zwei Wochen „wo untergemietet“ haben und zuletzt wieder bei seinen Eltern gewesen sein. Seine Frau war mit den Kindern wo anders untergekommen. Sie hatte bei ihrer Vernehmung gesagt, dass sie vorher nichts von seiner Tat wusste. Das Verfahren wegen häuslicher Gewalt sei noch offen, erklärte Kroschl. Seinen Wunsch nach einem Kopftuch habe sie abgeschlagen, was danach „im Raum stehen geblieben sei“.

Das Landeskriminalamt schickte zur Aufklärung des Falles auch ein Erhebungsgesuch Richtung Bosnien.

Rund 150 Zeugen

Die Arbeit der Ermittler gestalte sich umfangreich: „Rund 150 Zeugen sind zu befragen, manche von ihnen können auch noch zu Opfern werden, wenn sie gefährdet waren“, sagte Rene Kornberger vom Landeskriminalamt. 30 bis 35 Videosequenzen von Videokameras entlang seiner Route müssen gesichtet und ausgewertet werden, um eine lückenlose Rekonstruktion zu bekommen. Hinzu kommen unzählige Fotos.

Eltern einvernommen

Kornberger schilderte, dass die Eltern des Verdächtigen ebenfalls bereits vernommen wurden, aber nichts zum Sachverhalt beitragen konnten. Aussagen von Zeugen, wonach der Täter bei der Festnahme „Ich habe es für Allah getan“ gesagt habe, hätten sich nicht bestätigt.

Noch ausständig ist das Ergebnis des Bluttests des 26-Jährigen. Alkohol hatte er jedenfalls keinen getrunken.

Pflichtverhör noch nicht abgeschlossen

Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte den 26-Jährigen bereits am Montag zwei Stunden lang untersucht, sagte Kroschl: „Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass es eine psychische Störung gibt, das ist allerdings noch zu wenig konkret untersucht, es wird deshalb weitere Untersuchungen geben müssen.“

Getötete Frau noch nicht identifiziert

Rene Kornberger machte deutlich, dass eines der drei Todesopfer noch nicht identifiziert wurde. Es handelt sich um eine 25 bis 30 Jahre alte Frau, die keinen Ausweis bei sich hatte. Sie hat weder eine Tätowierung noch eine auffällige Narbe. Die Erhebungen waren bisher erfolglos. Nun soll anhand ihrer Kleidungsstücke die Identität geklärt werden.

Stellenweise mit bis zu 100 km/h

Die unbekannte Tote sowie der Bub und der 28-jährige Mann sind am Montag obduziert worden. Sie waren auf der Stelle tot, ihre Verletzungen glichen jenen bei einem Verkehrsunfall auf einer Überlandstraße - also bei hoher Geschwindigkeit, sagte Kornberger. Der Täter dürfte stellenweise mit bis zu 100 Kilometer pro Stunde durch die Innenstadt gefahren sein.

Gewehr vor Monaten sichergestellt

Die Ermittler bestätigten, dass ein halbautomatisches Gewehr mit Munition bereits vor Monaten bei dem Verdächtigen sichergestellt worden war. Er hatte eine Waffenkarte besessen, doch nach mehreren Zwischenfällen wurde ihm diese abgenommen und damit auch seine Waffe. Bei der Hausdurchsuchung nach seiner Amokfahrt wurden keine weiteren Waffen gefunden.

Geplant oder Kurzschlusshandlung?

Bereits am Montag hatte es geheißen, die Ermittlungen konzentrierten sich nun darauf, ob der Täter alles bis in das kleinste Detail geplant hatte oder es eine Kurzschlusshandlung war: Die Auswertung von Videoaufzeichnungen von Geschäften auf der Wegstrecke der Amokfahrt werde zeigen, „ob der Amokfahrer bewusst auf Passanten zugefahren ist oder eben nicht“, so Kroschl.

Zwar wird laut Landespolizeidirektion Steiermark ein terroristischer Hintergrund ausgeschlossen, dennoch beschlagnahmte die Polizei mittlerweile auch die Computer und Datensätze des Amokfahrers, um auch diese Möglichkeit zu prüfen. Momentan werde das Ermittlungsverfahren wegen Mordes und versuchten Mordes geführt, so Kroschl.

Abschied vom ersten Opfer in der Moschee

In der Moschee in der Grazer Laubgasse sprach der Imam am Dienstag das Totengebet für das erste Opfer des Amokfahrers, den 26 Jahre alten Adis Dolic. Rund 1.000 Mitglieder der isalmischen Gemeinde kamen, um sich von dem Mann, der beim Sozialamt gearbeitet hat, und dessen Frau Adisa noch immer im Koma liegt, zu verabschieden. Die Leiche des Mannes wird auf Wunsch der Familie nach Bosnien überstellt und in seinem Heimatort Velika Kladuscha beigesetzt.

Abschied in Moschee

ORF

Graz in Trauer

In Graz herrscht unterdessen nach wie vor tiefe Betroffenheit - mehr dazu in Nach Amokfahrt: Die Stadt trauert -, das Kriseninterventionsteam (KIT) des Landes ist im Dauereinsatz - mehr dazu in Nach Amokfahrt: Krisenhelfer im Dauereinsatz.

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