Gerichte leiden unter Mehrbelastung

Das Grazer Straflandesgericht und die Staatsanwaltschaft sind seit Jahresbeginn mit einer „beträchtlichen Steigerung“ an Verfahren konfrontiert. Die Gründe dafür seien unter anderem mehrere Großverfahren und immer kompliziertere Akte.

Straflandesgerichtspräsident Gerd Obetzhofer und sein neuer Stellvertreter Harald Friedrich sprachen am Freitag von plus 20 Prozent. Die derzeit 19 fixen Richter und 29 Staatsanwälte arbeiteten an der Grenze des Möglichen.

Zwei bis drei zusätzliche Richter gefordert

Im Jahr 2014 sei die errechnete Auslastung bei den Richtern bei 105 Prozent gelegen, für 2015 dürften es bis zu 113 Prozent werden - das entspreche praktisch dem Samstag als Arbeitstag. Mit zwei bis drei zusätzlich geforderten Richtern könnte man wieder auf 100 Prozent herunterkommen.

Doch nicht nur Richter und Staatsanwälte seien mehr als ausgelastet, Einsparungen beim Kanzlei-Personal würden Verfahren zusätzlich verzögern, und weitere Sparmaßnahmen werden erwartet - das sei das fast noch größere Problem, sagten Obetzhofer und Friedrich.

Großverfahren „sperren“ Richter

Ursache seien vor allem Großverfahren - etwa bei Wirtschaftskriminalität - derzeit werden rund 20 in Graz bearbeitet. Zum Vergleich: In Leoben sind es laut Thomas Mühlbacher, Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, zwei bis drei. Bei besonders aufwendigen Akten wird ein Richter komplett für das jeweilige Verfahren „gesperrt“ und kann sich beispielsweise zwei Jahre um keine anderen kümmern.

Mehraufwand durch Schlepper-Kriminalität erwartet

Josef Adam, Leiter der Justizanstalt Graz-Jakomini, stieß ins gleiche Horn: Erst in den vergangenen Tagen seien mehr als ein Dutzend mutmaßliche Schlepper aus Eisenstadt in die U-Haft übernommen worden - die Kollegen aus dem Burgenland baten in Graz um Hilfe. Dabei sei auch nicht ausgeschlossen, dass auch auf die steirische Justiz in den kommenden Wochen ähnliche zusätzliche Verfahren zukommen. Werden die Routen über das Burgenland unattraktiv, werden die Wege über Kroatien, Slowenien und die Steiermark führen, erwarten die Juristen.

Derzeit sei noch keine Spitze bei Schlepper-Verfahren und damit zusammenhängenden Untersuchungshaften zu erkennen, dennoch sei die Justizanstalt Jakomini momentan schon „gut ausgelastet“, so Adam. Erleichterung im Strafvollzug bringe die Möglichkeit der Fußfessel: Derzeit wohnten 45 Häftlinge aus der Justizanstalt Jakomini zu Hause, sagte der Anstaltsleiter.

Immer mehr Analphabeten

Neben immer komplizierteren Verfahren sei auch ein Anstieg bei den Analphabeten zu bemerken - generell mangelnde Sprachkenntnisse erschwerten Prozesse und den Strafvollzug. Das Instrument des Dolmetsch sei nötig und wichtig, verzögere jedoch zusätzlich den Ablauf von Verfahren. Laut Adam werden in der Justizanstalt Jakomini wöchentlich mehrere Deutsch-Kurse angeboten, ein Tag werde allein für die Alphabetisierung von Insassen verplant.