Spielfeld: „Jetzt samma Nickelsdorf“

In Spielfeld herrscht am Donnerstag eine surreale Stimmung: Hunderte erschöpfte und desorientierte Menschen irren umher, und sie stellen die immer gleichen Fragen: „Train station? Speak Arabic? Germany, where?“

Die Zustände am Grenzübergang Spielfeld sind weiterhin chaotisch: Tausende Flüchtlinge sind innerhalb und außerhalb des Transitlagers - mehr dazu in Tausenden schlafen im Freien und in Andrang von Flüchtlingen groß wie nie (news.ORF.at).

Geschlossene Geschäfte

Polizei und Bundesheer tun ihr möglichstes, um die Flüchtlinge, die sich teils zu Fuß, teils mit den rasch aufgetauchten Privattaxis, teils mit dem Zug auf eigene Faust zur Weiterreise in Europa aufgemacht haben, wieder in den Auffangbereich am alten Grenzübergang zurückzubringen: „Please go back. Germany is 700 kilometers away“ wiederholt die Stimme eines Bundesheer-Angehörigen über ein Megafon immer wieder; auch auf Arabisch und Farsi.

Beim Grenzübergang ist evident, was eine Steirerin angesichts der Szenen meint, wenn sie knapp kommentiert: „Jetzt samma Nickelsdorf.“ Auch der alte Grenzübergang gibt eine gespenstische Kulisse ab: verfallene Tankstellen, geschlossene Geschäfte, ein vermutlich noch in Betrieb stehender Lustbarkeitskomplex; der einzige offene Kebap-Laden ist hoffnungslos überfüllt. Vor einem leeren Geschäft mit der Aufschrift „Europa Kaffee“ lagern mehrere erschöpfte Familien.

Einwohner bleiben zu Hause

Zu Mittag holen Eltern ihre Kinder von der Schule in Spielfeld-Straß ab. Normalerweise gehen die Kinder zu Fuß, doch den Eltern ist dies nun zu gefährlich. „Es geht keiner mehr aus dem Haus, wenn er nicht muss. Nur für die Arbeit, die Schule der Kinder und einkaufen. Sonst bleiben hier alle zu Hause“, sagt ein Mann aus der Gemeinde.

Tausende über einen halben Kontinent geflüchtete Menschen halten sich mittlerweile in- und außerhalb des Grenzstreifens auf der österreichischen Seite auf, und derzeit ist die Lage friedlich - zwei junge Flüchtlinge haben sogar den Nerv für ein lockeres Selfie. Dennoch ist eine gewisse Spannung unter den Beamten, aber auch teilweise unter den im Ungewissen schwebenden Flüchtlingen spürbar.

Mehrere Kinder in Spital gebracht

Nicht nur aus Syrien und dem Irak kommen die Menschen - einige Iraner sind dabei, vereinzelt Afrikaner, Menschen, die aussehen, als kämen sie von weither, vielleicht aus Afghanistan; die meisten sind mittleren Alters und viele Kinder. Letzteren ist die Erschöpfung am stärksten anzumerken: „Wir mussten einige Kinder nach Graz ins Spital bringen“, sagt Bernd Wippel, Einsatzleiter des Roten Kreuzes, bisher habe es jedoch keine schweren Krankheitsfälle gegeben, betont er. Die meisten würden sich wegen Magenschmerzen oder einfachen Erkältungen an die Helfer wenden.

Ortsschild Decken Müll

ORF.at

Decken und Kleidung werden zurückgelassen, da sie nicht mehr gebraucht werden

Decken und Winterkleidung, die die Flüchtlinge auf ihrem Weg immer wieder erhalten, werden auf der Reise rasch wieder zum unnötigen Ballast. Wenn die kalte Nacht überstanden ist und die Sonne hervorkommt, lassen viele Flüchtlinge diese Dinge einfach am Straßenrand zurück. „Wir haben die Anweisung, alles zu entsorgen. Schade drum“, sagt ein Bediensteter der Straßenreinigung aus dem nahen Leibnitz, der gerade eine fast neue Decke mit UNHCR-Aufdruck in einen schwarzen Müllsack stopft.

„Geht nicht, alles voll“

Unterdessen stehen im Transitbereich bereits Dutzende angemietete Busse verschiedener privater und öffentlicher Unternehmungen bereit, um die Flüchtlinge in geordneter Weise weiterzufahren. Eine Gruppe Buslenker - allesamt aus Serbien stammend, aber für ein österreichisches Unternehmen tätig - diskutiert über die aktuelle Situation: Sie wissen noch nicht, wohin sie mit den Flüchtlingen fahren werden. „Es gibt keinen Plan“, sagt einer. „Zum Beispiel am Mittwoch haben sie uns zuerst gesagt, wir sollen die Leute nach Linz bringen. Dann hieß es kurz davor: Geht nicht. Alles voll“. Letztlich habe er seine Passagiere an die deutsche Grenze nach Braunau gebracht.

Wie es weitergehen wird, weiß niemand: Weder Politiker noch Beamte, noch die Helfer, noch die Flüchtlinge selbst. Die wahren Entscheidungen fallen vermutlich an den diversen Kriegsschauplätzen und Krisenherden dieser Welt.

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