Asyl: Kritik an Großquartieren reißt nicht ab

Fehlende Privatsphäre sei oft der Grund für Konfliktsituationen in Asylquartieren – sagen Caritas und Rotes Kreuz nach der Massenschlägerei unter Asylwerbern in Leoben. Die Kritik an den Großquartieren des Bundes reißt nicht ab.

Eingang Asyl-Großquartier in Leoben

ORF.at

Das Asyl-Großquartier in Leoben-Lerchenfeld beherbergt derzeit 420 Menschen

Nach der Massenschlägerei unter Asylwerbern in der Nacht auf Freitag in Leoben mit 100 Beteiligten, 25 Festgenommenen und mehreren Verletzten mehrt sich die Kritik an den Großquartieren des Bundes – mehr dazu in Massenschlägerei unter Asylwerbern und Asyl: Kritischer Brief für Mikl-Leitner aus Leoben (4.12.2015).

Konflikte durch fehlende Privatsphäre

Für die steirische Caritas und das Rote Kreuz kommen Konfliktsituationen wie diese alles andere als überraschend: Die beiden in der Flüchtlingshilfe erfahrenen Organisationen machen dafür in erster Linie die fehlende Privatsphäre verantwortlich, die vor allem für Jugendliche problematisch sei. Unter den rund 420 in Leoben-Lerchenfeld untergebrachten Asylwerbern befinden sich gleich 300 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge - sie müssen gemeinsam mit Flüchtlingsfamilien in einer ehemaligen Baumarkthalle leben.

Waltl: „Quartier ist verantwortungslose Maßnahme“

Dass es zu massiven Konflikten wie in der Nacht auf Freitag kommen werde, war für Franz Waltl von der Caritas-Flüchtlingshilfe absehbar: „Jeder vernünftige Familienvater oder jede Mutter weiß, wenn man Kinder in diesem Alter hat, dass diese Konflikte vorprogrammiert sind. Ich halte das Quartier für eine verantwortungslose Maßnahme.“

Gerade bei der Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen seien kleinere Einheiten wesentlich, so Waltl: „Für mich ist eine Orientierungsgröße 40 Personen, wo sich die Jugendlichen gut pädagogisch begleiten lassen, wo man mit ihnen gut arbeiten kann. Das ist schon die größte Einheit, die ich mir vorstellen kann. Je kleiner die Einheit, umso besser.“ Ein Problem ist laut Waltl außerdem, dass es oft zu wenige tagesstrukturierende Maßnahmen - also kein sinnvolles Tagesprogramm - und so gut wie keine Privatsphäre gebe.

Rückzugsgebiete von Bauzäunen abgetrennt

Die Kritik von Waltl teilt auch der steirische Rot Kreuz-Sprecher August Bäck: „Die Menschen können nicht für sich sein, die Familien können nicht untereinander sein. Jugendliche sind in einem schwierigen Alter, die brauchen ihre Rückzugsgebiete. Und wenn die Unterbringung nur mit Bauzäunen oder Vlies abgetrennt ist, dann habe ich nie nur eine Minute für mich alleine, dann kann schon mal passieren, dass die Nerven blank liegen.“ Das würde auch passieren, wenn man 450 Österreicher über Wochen in einem ehemaligen Baumarkt unterbringen würde, so Bäck.

Caritas und Rotes Kreuz zeigen angesichts der Vielzahl von Flüchtlingen Verständnis für Übergangsmaßnahmen in Form von Großquartieren - diese müssten zeitlich aber viel kürzer gehalten werden, heißt es.

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