Stadt Graz von Asylwerbern „überrascht“

Ein neues Asyl-Großquartier in einem ehemaligen Seniorenheim in Graz-Andritz sorgt für Aufregung: Die ersten Asylwerber trafen am Mittwoch ein. Stadt und Land kritisieren den Bund, sind aber die Hände gebunden.

Das ehemalige Seniorenheim „Marianne“ in der Grazer Radegunderstraße wurde renoviert und zuerst dem Land Steiermark als Flüchtlingsquartier angeboten. Es wurde auch als geeignet befunden, allerdings wollte man in Absprache mit der Stadt Graz dort nur 50 Asylwerber einquartieren.

Bund informierte Bezirksvorsteher

Das war dem Betreiber aber zu wenig - direkt mit dem Innenministerium wurde in der Folge ein Vertrag über die Unterbringung von Asylwerbern abgeschlossen. 40 hätten am 4. Jänner einziehen sollen, weitere 40 am 7. Jänner.

Darauf soll ein Schreiben hinweisen, dass am Dienstag die Bezirksvorstände erreicht habe, sagt Erich Cagran von der Bürgerinitiative Andritz: „Ein Vertreter des Innenministeriums hat die Bezirksvorsteher informiert, dass hier ein Platz, eine Unterkunft für 200 Flüchtlinge, lauter männliche, zum Teil unbegleitete Jugendliche kommen soll.“ Nach Auskunft des Innenministeriums sei vorerst aber nur die Unterbringung von 100 Asylwerbern geplant.

Flüchtlingsquartier

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Die Bürgerinitiative befürchtet, dass vor allem Männer untergebracht werden

Ankunft fast eine Woche zu früh

Statt erst im Jänner kamen die ersten acht Asylwerber bereits Mittwochfrüh, sagt Cagran, der vor allem kritisiert, dass nicht auch die Bevölkerung informiert worden ist: „Eigentlich sollte die Bevölkerung rechtzeitig informiert werden und nicht erst wenn es schon passiert ist. Denn die Bevölkerung ist es ja letztendlich, die die Integration dieser Flüchtlinge mittragen soll.“

Von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) wird jetzt daher eine Bezirksversammlung gefordert, bei der alle Bewohner in Andritz über das weitere Vorgehen informiert werden und bei der der Bürgermeister selbst wie auch Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) der Bevölkerung Rede und Antwort stehen.

Als Asyl-Quartier „ungeeignet“

Doch die Kritik geht noch viel weiter. Denn das Quartier selbst sei als Unterkunft völlig ungeeignet, ist Cagran überzeugt: „200 in einem Haus zusammengepfercht, erinnern wir uns die Vorkommnisse mit jungen Männern in Leoben.“ Dort war es Anfang Dezember zu einer Massenschlägerei gekommen - mehr dazu in Massenschlägerei unter Asylwerbern (4.12.2015). Die Folge war heftige Kritik an solchen Asyl-Großquartieren - mehr dazu in Volksanwalt: „Misstände“ in Asyl-Großquartier (9.12.2015).

Leoben Asyl Großquartier Gebäude

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Bereits am Asyl-Großquartier in Leoben gab es nach Vorfällen massive Kritik

Dazu komme laut Cagran, dass sich neben dem Quartier die Landesschießstätte befinde: „Es ist für uns völlig unvertretbar, dass Leute, die aus Kriegsgebieten kommen, traumatisiert sind, dann urplötzlich zur Begrüßung Pistolen und Gewehrschüsse hören neben ihrem Fenster.“

Sicherheitskonzept gefordert

Die Bürgerinitiative fordert darüber hinaus ein Sicherheitskonzept - ein solches fehle völlig, da nicht die Exekutive, sondern eine Privatfirma beauftragt wurde, das Geschehen zu überwachen: „Die haben ja bitte kein Durchgriffsrecht. Das ist eine fadenscheinige Handlung.“ Bei der Landespolizeidirektion heißt es dazu - das sei nicht nötig, denn von Asylwerbern gehe nicht automatisch auch eine Gefahr aus.

Kampus: „Nicht partnerschaftliches Vorgehen“

Einmal mehr beklagen auch Stadt und Land die Vorgangsweise des Bundes: Man sei vorab nicht informiert worden, heißt es aus dem Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), und Soziallandesrätin Doris Kampus spricht von einem „nicht partnerschaftlichem Vorgehen“. Beide sind überzeugt, dass Großquartiere der falsche Weg sind: Einheiten mit maximal 50 Asylwerber seien besser für die Betreuung, für die Integration und auch für die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Nagl-Büro: „Vollkommen unnötig“

Nagl-Sprecher Thomas Rajakovic kann nicht verstehen, warum der Bund seine Strategie nicht dahingehend ändert: „Wir haben immer wieder Anfragen von Personen, die ein oder zwei Flüchtlinge unterbringen wollen, da geht leider gar nichts weiter. Dort, wo sehr viel von der Zivilgesellschaft kommt, wird weggeschaut, dafür setzt man auf vollkommen unnötige Großquartiere.“

Nicht zu verhindern

Die aktuelle Unterbringungsquote liegt in der Steiermark bei 97 Prozent: aber selbst wenn sie über 100 Prozent wäre, könnte der Bund einen privatrechtlichen Vertrag mit einem Besitzer eines passenden Objekts abschließen, heißt es aus dem Kampus-Büro.

Auch die Stadt könne ein Großquartier nicht verhindern, sagt Rajakovic: „Die verantwortungsvollen NGOs in der Steiermark haben das Quartier nicht abgeschlossen, jetzt hat es der Bund selbst gemacht - jeder, der das verfolgt, kann nur den Kopf schütteln, wir tun das auch. Wir werden natürlich unser Möglichstes tun, dass es zu keinen großen Spannungen kommt, aber verantwortlich dafür ist eine Innenministerin und letztlich ein Koordinator im Bund, der beim Bundeskanzler angesiedelt ist - die machen solche Dinge.“

Das Innenministerium wird von seiner Strategie der Großquartiere aber gar nicht abrücken können - angesichts von 90.000 Asylanträgen in diesem Jahr und noch vielen fehlenden Quartieren sei rasches Handeln gefragt, heißt es.