Nach Amokfahrt: Widersprüchliche Gutachten

Der Grazer Amokfahrer soll bei seiner Tat im Juni 2015 nicht zurechnungsfähig gewesen sein. Zu diesem Ergebnis kommt nun der Gutachter der Staatsanwaltschaft. Sein Gutachten widerspricht damit jenem im Auftrag des Haftrichters.

Dass der 26-Jährige bei seiner Amokfahrt durch die Grazer Innenstadt am 20. Juni nicht zurechnungsfähig war, ist das Ergebnis der Expertise jenes Gutachters, der von der Staatsanwaltschaft beauftragt wurde. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag.

Pattsituation

Der Gutachter im Auftrag der Staatsanwaltschaft widerspricht damit jener Expertise, die der Gutachter im Auftrag des Haftrichters abgegeben hatte - mehr dazu in Gutachten: Grazer Amokfahrer zurechnungsfähig. Laut Staatsanwaltschaft besteht bei beiden Gutachtern Einigkeit darüber, dass der Beschuldigte die Taten unter dem Einfluss einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades begangen hat und bei ihm die Gefahr weiterer solcher Taten besteht. Die davon zu unterscheidende Frage aber, ob der Beschuldigte zurechnungsfähig war, wird von einem der psychiatrischen Sachverständigen verneint, vom anderen hingegen bejaht.

Amokfahrer sprach von Schüssen

Der Amokfahrer hatte angegeben, dass er sich zum Tatzeitpunkt verfolgt gefühlt hatte, sprach von Schüssen, die er gehört haben will, und dass er deswegen Angst gehabt habe. Laut der Tageszeitung „Österreich“ (Donnerstag-Ausgabe) soll der zweite Gutachter, Peter Hofmann, geprüft haben, ob es sich bei diesen Wahrnehmungen um Simulieren handelte, fand jedoch dafür keinen Anhaltspunkt. Für Gutachter Manfred Walzl dagegen war der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig.

Obergutachten könnte nötig werden

Die beiden Gutachter werden nun von der Staatsanwaltschaft zu einer Stellungnahme aufgefordert. Sollten sich „dadurch die Diskrepanzen in den gutachterlichen Schlussfolgerungen nicht ausräumen“ lassen, hieß es in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, müsste ein Obergutachten eines dritten psychiatrischen Sachverständigen eingeholt werden. Dieser Gutachter muss über eine Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Universität verfügen. Wer dieser „Obergutachter“ sein könnte, steht noch nicht fest.

Weiter warten auf Prozesstermin

Fest steht jedenfalls: Der Prozesstermin wird sich damit weiter verzögern. Die nächste Haftprüfungsverhandlung ist für den 8. Februar angesetzt - mehr dazu in Grazer Amokfahrer: Anklage wohl erst 2016 (23.11.2015) und in Grazer Amokfahrt: Anklage nicht vor Februar (30.11.2015) sowie in Grazer Amokfahrt: Erste Zahlungen an Opfer (23.9.2015).