Dschihadisten-Prozesse in Graz angelaufen

In Graz hat am Dienstag der erste von mehreren Prozessen gegen mutmaßliche Dschihadisten begonnen. Angeklagt ist ein gebürtiger Bosnier. Er leugnete alles und bezeichnete sich selbst als „schwachen und milden Gläubigen“.

Vor Gericht stehen insgesamt 13 Angeklagte. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Vorwurf der terroristischen Vereinigung

Den Beginn macht das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem - wie allen Angeklagten - das Verbrechen der terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Bei ihm kommt außerdem noch der Tatbestand der kriminellen Organisation dazu. Für den 50-Jährigen sind zunächst vier Verhandlungstage bis Anfang März eingeplant.

Strengste Sicherheitsvorkehrungen

Der Prozess findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Im gesamten Gerichtsgebäude sind Cobra-Beamte und weitere Sondereinheiten der Polizei aufgestellt. Unmittelbar vor Verhandlungsbeginn wurde der Schwurgerichtssaal noch einmal mit einem Sprengstoffhund und einem Sprengstoffexperten kontrolliert - erst dann wurde der Saal für Zuschauer und Presse freigegeben. Das Interesse hielt sich in Grenzen: Rund ein Dutzend Journalisten und keine zehn Besucher hatten sich eingefunden.

Dschihadisten-Prozess in Graz

APA/Erwin Scheriau

Der Staatsanwalt schilderte dann ausführlich, wie der Beschuldigte, der im ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen war, zum Islam fand. 1992 kam er nach Österreich, heiratete und bekam mit seiner Frau drei Kinder. Er begann, Arabisch zu lernen und besuchte Veranstaltungen verschiedener Glaubensvereine. Bei einer solchen Gelegenheit hörte er auch einen weiteren Angeklagten: Der angebliche „Hassprediger“ gilt als eine der Schlüsselfiguren und Prediger für den IS in Österreich und steht selbst ab 22. Februar vor Gericht.

„Das passiert mitten unter uns“

Laut Anklage interessierte sich der 50-Jährige schon bald für radikale Richtungen: „Die IS-Ideologie ist eine typisch faschistische Ideologie mit Führerkult“, meinte der Staatsanwalt. Er beschrieb, wie sich der Angeklagte seiner Meinung nach ganz gezielt darauf vorbereitet habe, nach Syrien zu gehen und für den IS zu kämpfen. Außerdem soll er einem Bekannten entsprechende Kontakte vermittelt haben.

Im Dezember 2014 wurde der Angeklagte auf seinem Weg nach Syrien in der Türkei gestoppt und schließlich in Kroatien festgenommen, da mittlerweile ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorlag. „Man kann das Problem nicht abschieben, indem man sagt, das sind Kellermoscheen. Das passiert mitten unter uns“, sagte der Staatsanwalt zum Abschluss seines Eröffnungsplädoyers.

„Nur Bekanntschaften“

Anders sah das der Verteidiger: „Es reicht nicht, eine kleine Spur zum Angeklagten zu haben, um ihm alle Gräueltaten des IS anzuhängen.“ Es sei richtig, dass sich sein Mandant für den Krieg in Syrien interessiert und sich auch Material beschafft habe, aber konkrete Verbindungen habe es keine gegeben, „nur Bekanntschaften“.

Der Beschuldigte selbst leugnete alles: „Ich habe niemanden geschickt oder geholfen, ich bin kein Mitglied von terroristischen Organisationen oder Netzwerken.“ Dann kam sehr ausführlich seine Kindheit und Jugend zur Sprache, außerdem das Scheitern seiner ersten Ehe wegen seiner zunehmenden Religiosität und der Weigerung seiner Frau, sich den neuen Regeln wie dem Tragen eines Kopftuchs auf Dauer unterzuordnen. 1998 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Mekka: „Und da habe ich gefunden, das ist mein Weg“, schilderte der Angeklagte, der Dienstagnachmittag weiter einvernommen wurde.

„Bin schwacher und milder Gläubiger“

Bei der intensiven Befragung durch den Richter gab sich der Angeklagte durchwegs unwissend. „Ich würde mich als schwachen und milden Gläubigen bezeichnen“, formulierte er es selbst. Begriffe wie „Heiliger Krieg“ oder „IS“ seien für ihn nur „Namen, aber ich weiß nicht viel davon“, sagte der Beschuldigte. Am Nachmittag ging es auch um jene Videos und Dokumente, die auf seinem Computer gefunden worden waren. 150 CDs und DVDs hatte die Polizei bei der Hausdurchsuchung sichergestellt. Auch auf Facebook hatte der Bosnier immer wieder Videos und Inhalte geteilt, die teilweise sehr grausam waren und die Gräueltaten des IS zeigten. „Das habe ich nur gemacht, weil ich es mir irgendwann anschauen wollte, damit ich es später wieder finde“, rechtfertigte sich der Mann.

„Gibt es einen Heiligen Krieg?“, wollte der Richter von ihm wissen. „Ich weiß es nicht“, antwortete der Befragte. „Was bedeutet für Sie IS?“, ließ der Vorsitzende nicht locker. „Ein Name, aber ich weiß nicht viel davon“, meinte der Angeklagte. Auf die Frage, ob er meine, dass zur Durchsetzung von Religion Gewalt zulässig sei, antwortete er: „Ja, schon.“ Der Prozess wird am Donnerstag um 9.00 Uhr mit der weiteren Befragung des Angeklagten fortgesetzt. Die Zeugen sollen erst an den beiden Verhandlungstagen im März gehört werden.

„Hassprediger“ wegen Mordes angeklagt

Der Prozess gegen den 50-Jährigen ist nur der Auftakt: Ab 22. Februar steht dann der für die Justiz als „Hauptideologe für den globalen dschihadistischen Islamismus“ geltende Angeklagte vor Gericht - er ist seit November 2014 in Graz in Untersuchungshaft.

Der angebliche „Hassprediger“ muss sich zusammen mit einem weiteren Angeklagten wegen verschiedener terroristischer Straftaten - darunter auch Mord - verantworten. Dieses Verfahren wurde vorerst für fünf Tage anberaumt. Für einen Tag anberaumt ist der Prozess gegen acht weitere Verdächtige, denen neben terroristischer Vereinigung auch Falschaussage vorgeworfen wird. Im Falle von zwei weiteren Verdächtigen gibt es noch keinen Verhandlungstermin.