Größter Dschihadistenprozess Österreichs läuft

In Graz ist am Montag der dritte - und größte - Prozess gegen mutmaßliche Dschihadisten angelaufen. Vor Gericht stehen ein mutmaßlich „Hassprediger“ und ein mutmaßlicher IS-Kämpfer - beide bekannten sich nicht schuldig.

Den beiden Angeklagten, einem 34 Jahre alten gebürtigen Serben und einem 28 Jahre alten Angehörigen der Russischen Föderation, wird in Verbindung mit der Teilnahme an der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch noch das Verbrechen des Mordes vorgeworfen.

Serbe als Schlüsselfigur

Der 34-Jährige gilt als Schlüsselfigur der Aktivitäten des IS in Österreich. Er kam als Kind mit seinen Eltern nach Österreich und studierte in Mekka islamisches Recht und Arabisch. Er unterrichtete an einer Wiener Privatschule islamische Religion, hielt Vorträge in mehreren Glaubensvereinen in Wien und Graz und stellte seine Reden auch auf die Internetplattform YouTube. Die Staatswanwaltschaft wirft ihm vor, dass er durch seine radikalen Predigten mindestens vier Personen als Kämpfer für den IS angeworben habe, darunter auch den mitangeklagten 28-Jährigen.

Der Angehörige der Russischen Föderation flüchtete im zweiten Tschetschenien-Krieg mit seiner Familie nach Österreich. Er sei durch den Prediger in einem Glaubensverein in Wien radikalisiert und dazu bestimmt worden, in Syrien für den IS zu kämpfen, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Dabei habe er mehrfach Einwohner unter Waffengewalt aus ihren Häusern vertrieben sowie syrische Zivilisten auf brutalste Weise getötet.

Mehrfacher Mord und schwere Nötigung

Deshalb ist der Jüngere - ebenso wie der Prediger als Bestimmungstäter - der schweren Nötigung sowie des mehrfachen Mordes angeklagt. Mehr als ein Dutzend Zeugen sollen aussagen, drei Sachverständige sind geladen - ein Gerichtsmediziner, ein Radiologe und ein Experte für Dschihadismus. Vorerst sind sechs Prozesstage angesetzt, und der Auftakt am Montag verlief ruhig und ohne besonderes Vorkommnisse. Das Zuschauerinteresse hielt sich aber in Grenzen - der große Schwurgerichtssaal im Straflandesgericht blieb halb leer.

Dschihadistenprozess in Graz

APA/Erwin Scheriau

Auch bei diesem Prozess gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen

Die Sicherheitsvorkehrungen sind abermals enorm: Das Gerichtsgebäude wurde außen und innen von Beamten in Schutzwesten und mit schwerer Bewaffnung bewacht, im Gerichtssaal selbst hatten sich mehrere vermummte Beamte der Spezialeinheit Cobra postiert.

Staatsanwalt: „Auftreten wie ein Popstar“

Der Staatsanwalt schilderte in seinem mehr als eineinhalbstündigen Plädoyer nicht nur die politischen Zusammenhänge und den historischen Hintergrund der IS-Bewegung, sondern auch das Umfeld in Wien, in dem der 34-Jährige gelebt und als Prediger gewirkt hatte: „Seine Kernbotschaft war, der Islam ist durch den Dschihad zu verbreiten“, so der Ankläger, der weiter schilderte, dass der Angeklagte „ein Auftreten wie ein Popstar hatte, er ist mit einer ganzen Entourage gereist“.

Die Predigertätigkeit sei auch ein gutes Geschäft gewesen: „Er ist ein richtiger Medienstar gewesen und hat einen eigenen YouTube-Kanal gehabt“, so der Staatsanwalt. Das Zielpublikum seien junge Muslime zwischen 14 und 30 Jahren gewesen, die praktisch „einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind“, führte der Ankläger aus.

„Es sind aus Österreich schon zu viele junge Frauen und Männer nach Syrien gegangen und getötet worden“, warnte der Staatsanwalt am Ende seiner Ausführungen; die IS-Ideologie sei „eine enorme Gefahr für unseren Rechtsstaat, die wir ernst nehmen müssen“.

„Nur gepredigt wie in Saudi-Arabien gelernt“

Beide Angeklagten fühlten sich nicht schuldig: „Es gibt 2.000 Kampftruppen in Syrien, es ist kaum nachzuweisen, wer wo kämpft“, meinte der Verteidiger des angeblichen IS-Kämpfers mit tschetschenischen Wurzeln, „wir werden nachweisen, dass er nicht in der Gegend war“, so der Anwalt. Der Ältere wiederum sagte, er habe zwar gepredigt, aber nur so, wie er es in Saudi-Arabien gelernt habe.

„Ich bin nicht Mitglied der Propaganda, in keiner Weise“, beteuerte er mehrmals. Die Ausschnitte aus seinen Reden, mit denen er konfrontiert wurde, seien aus dem Zusammenhang gerissen oder zusammengeschnitten worden, rechtfertigte er sich. Er habe auch keine Kontakte zu Extremisten gehabt: „Ich habe nie einen Prediger gehört, der die Leute aufgefordert hat, nach Syrien zu gehen.“ Er selbst habe in einem Vortrag gesagt: „Wir mischen uns in den Krieg in Syrien nicht ein.“

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem das Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Tatbestand der kriminellen Organisation vorgeworfen wird - mehr dazu in Bei Dschihadistenprozess IS-Videos vorgespielt (4.2.2016) und in Dschihadistenprozesse in Graz angelaufen (2.2.2016). Anfang Februar begann der zweite der vier Dschihadistenprozesse: Hier sind acht Personen angeklagt, zum Prozessauftakt erschienen aber nur fünf - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016).