Dschihadistenprozess: Zeugin bekam Droh-SMS

Im Grazer Straflandesgericht ist am Freitag der Dschihadistenprozess fortgesetzt worden. Erneut wurde jener Zeuge befragt, der am Mittwoch verhaftet worden war; eine weitere Zeugin wurde vor ihrer Aussage bedroht.

Den beiden Angeklagten, einem 34 Jahre alten gebürtigen Serben und einem 28 Jahre alten Angehörigen der Russischen Föderation, wird in Verbindung mit der Teilnahme an der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch das Verbrechen des Mordes vorgeworfen - mehr dazu in Größter Dschihadistenprozess Österreichs läuft, in „Ich hatte keine Wahl“ und in Dschihadistenprozess: Hauptzeuge kam maskiert.

Am Freitag wurde nun jener Zeuge befragt, der am Mittwoch verhaftet worden war - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Zeuge verhaftet. Gegenstand der Befragung waren die Reden des islamischen Predigers, in deren Folge einige junge Männer als IS-Kämpfer nach Syrien gingen.

Unter ihnen war auch der Bruder des Befragten, der plötzlich verschwunden war - als der besorgte Zeuge zur Polizei ging, soll er gesagt haben, sein Bruder sei möglicherweise in Syrien, und „alles, was passiert sei, wurde durch diese Umfeld verursacht“. Damit soll er damals die Moschee und ganz besonders die Predigten des 34-Jährigen gemeint haben.

„In dieser Moschee wird man ein bisschen radikal“

Auch bei seiner zweiten Befragung am Freitag vermied er es sorgfältig, jemanden zu belasten, und schon gar nicht den Angeklagten: „Leute, die in diese Moschee gehen, werden ein bisschen radikal und gehen nach Syrien“, drückte er es vorsichtig aus. „Ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass ich gesagt habe, dass der Angeklagte auffordert, zum Dschihad zu gehen“, blieb er bei seinen Angaben von Mittwoch; er bleibt vorerst in Untersuchungshaft.

„Reine Gehirnwäsche“

Die nächste Zeugin sollte zur Radikalisierung ihres Sohnes Auskunft geben, wollte sich zunächst aber an ihre Angaben vor der Polizei kaum noch erinnern. „Haben sie Angst?“, fragte der Richter. „Ich habe schon Angst“, gab die Frau zu. „Vor dem Gericht oder vor der Polizei?“, hakte der Vorsitzende nach. „Vor Dritten“, meinte die Zeugin.

Das Angebot des Gerichts, die Öffentlichkeit auszuschließen, nahm sie dankbar an: Sie gab an, mehrere SMS bekommen zu haben, in denen ihr gedroht wurde, sie umzubringen, sollte sie aussagen. Ihr Ex-Mann, der mittlerweile in Syrien für den IS kämpft, habe ihre beiden Söhne schon früh in die Moschee mitgenommen; die Vorträge dort seien eine „reine Gehirnwäsche“ gewesen, gab die Zeugin an. Einer der Söhne wollte ebenfalls zum IS nach Syrien, wurde aber mittlerweile verhaftet, worüber sie froh sei, meinte die Zeugin.

„Das ist nicht verboten“

Auch am fünften Verhandlungstag ging es einmal mehr um jene Gespräche, die im Auto des Predigers abgehört wurden. Es wurden Aufnahmen abgespielt, in denen er seinen Kindern im Auto vorsang: „Mit Gewehren und mit Klingen, werden wir die Scharia bringen“ oder „Gib dem Schwert, was es verdient, schlag auf den Kopf, bis es sich biegt“. Das sei „nur ein Lied. Ist es verboten, im Auto zu singen?“, ereiferte sich der Angeklagte nach der Vorspielung des Bandes. „Nein, aber das passt zu den Fotos von ihren Kindern, die gefunden wurden“, meinte einer der beisitzenden Richter - die Polizei hatte Bilder beschlagnahmt, die die Kinder des Angeklagten mit Waffen oder einer schwarzen Flagge zeigen. Besonders unverständlich erschien einem der Richter das Bild eines Babys, auf dessen Decke man ein großes Messer gelegt hat. „Das ist nicht verboten“, meinte der 34-Jährige dazu nur.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt; zwei Zeugen müssen noch gehört werden, dann kommt es auf die Anträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft an, ob es ein Urteil geben wird.

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem das Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Tatbestand der kriminellen Organisation vorgeworfen werden - mehr dazu in Bei Dschihadistenprozess IS-Videos vorgespielt (4.2.2016) und in Dschihadistenprozesse in Graz angelaufen (2.2.2016). Anfang Februar begann der zweite der vier Dschihadistenprozesse: Hier sind acht Personen angeklagt, zum Prozessauftakt erschienen aber nur fünf - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016).