Grazer Dschihadistenprozess wurde vertagt

Der Prozess gegen zwei mutmaßliche Dschihadisten in Graz ist am Montag für mindestens sechs Monate vertagt worden. Den Männern wird vorgeworfen, für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gemordet und rekrutiert zu haben.

Den meisten Anträgen der Verteidiger wurde am Montag stattgegeben: Es sollen noch weitere Zeugen gehört werden, auch wurden ein ergänzendes Gutachten sowie die Übersetzung der bosnischen Reden in Auftrag gegeben. Abgelehnt wurde am Montag lediglich der Antrag, ein psychologisches Gutachten über jenen Belastungszeugen, der maskiert ausgesagt hatte, in Auftrag zu geben. Außerdem soll versucht werden, die Tatumstände näher zu klären. Die Prozess soll frühestens in sechs Monaten fortgesetzt werden.

Zeuge verhaftet

Am Mittwoch vergangener Woche war ein Zeuge auf Antrag des Staatsanwaltes festgenommen worden, weil er andere Angaben gemacht hatte als bei seiner polizeilichen Befragung - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Zeuge verhaftet. Am Montag schilderte nun sein Bruder, dass ihn die Familie plötzlich vermisst habe und außerdem den Verdacht gehegt habe, dass er in Syrien als Kämpfer für den IS ist. Er habe öfter eine Moschee besucht und sich einen Vollbart wachsen lassen; als die Familie in der Moschee nach ihm gesucht habe, habe es nur geheißen: „Seid froh, dass er in Syrien kämpft, dann kann er als Märtyrer ins Paradies kommen.“

„Über Gebet und Fasten gepredigt“

Ein weiterer Bruder - der mittlerweile wieder zu Hause ist und wegen seiner Aktivitäten bereits in Wien verurteilt wurde - gab an, dass er den angeklagten 34-jährigen Prediger zwar aus der Moschee kenne, aber nie gehört habe, dass dieser jemanden aufforderte, nach Syrien zu gehen. „Er hat über das Gebet, über das Fasten und dass man gut zu den Eltern sein soll gepredigt“, schilderte er. „Auch über den Dschihad?“, fragte der Richter - daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Der Zeuge erzählte auch von Ausflügen mit den beiden Angeklagten, wo man gemeinsam schwimmen gegangen sei. Der Richter konfrontierte ihn mit einem dieser „Ausflüge“, der sich als Schießübung auf der Donauinsel entpuppte. „Warum macht man so etwas? Wer hatte die Idee?“ - „weiß ich nicht“, so die Antwort des Zeugen.

Nach der Zeugenbefragung wurden Videos und Audiodateien vorgespielt; zudem versuchte der 28-jährige Angeklagte, mit Hilfe von Google-Earth-Landkarten deutlich zu machen, dass er zur fraglichen Zeit nicht an jenen Orten war, wo Massaker stattgefunden haben sollen.

Zeugen belasteten Angeklagten schwer

Dem Tschetschenen wird vorgeworfen, als Kämpfer für den IS in Syrien an der Ermordung von Menschen beteiligt gewesen zu sein. Der 34-jährige Prediger aus Serbien soll laut Staatsanwaltschaft junge Männer dazu gebracht haben, für die Terrororganisation zu kämpfen. Die beiden Angeklagten bekannten sich nicht schuldig, wurden im Zuge der Verhandlung aber von mehreren Zeugen schwer belastet - mehr dazu in Größter Dschihadistenprozess Österreichs läuft, in „Ich hatte keine Wahl“, in Dschihadistenprozess: Zeuge verhaftet, in Dschihadistenprozess: Hauptzeuge kam maskiert und in Dschihadistenprozess: Zeugin bekam Droh-SMS.

Insgesamt 13 Angeklagte

Bei den Grazer Dschihadistenprozessen stehen insgesamt 13 Angeklagte vor Gericht. Sie wurden bei Großrazzien Ende 2014 in Linz, Wien und Graz festgenommen – mehr dazu in Mutmaßliche Dschihadisten angeklagt (10.11.2015), Wieder Dschihadismus-Festnahmen in Graz (2.4.2015), Freigelassener Dschihadist wieder festgenommen (26.1.2015) und Großrazzia gegen Dschihadisten in drei Städten (28.11.2014). In zwei Geschworenen- und zwei Schöffenverhandlungen werden nun die unterschiedlichen Straftaten verhandelt.

Den Beginn machte das Verfahren gegen einen 50-jährigen gebürtigen Bosnier, dem das Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Tatbestand der kriminellen Organisation vorgeworfen werden - mehr dazu in Bei Dschihadistenprozess IS-Videos vorgespielt (4.2.2016) und in Dschihadistenprozesse in Graz angelaufen (2.2.2016). Anfang Februar begann der zweite der vier Dschihadistenprozesse: Hier sind acht Personen angeklagt, zum Prozessauftakt erschienen aber nur fünf - mehr dazu in Zweiter Dschihadistenprozess eröffnet (5.2.2016).