Dschihadistenprozess: Abschiedsbrief an Freundin

In Graz ist am Montag der vierte Dschihadistenprozess gegen zwei Brüder fortgesetzt worden. In einer Art Abschiedsbrief schrieb der Jüngere an eine frühere Schulkollegin: „Sag niemandem, wohin ich gehe und was ich tue.“

Die beiden Brüder sind 17 und 23 Jahre alt, gebürtige Österreicher mit türkischen Wurzeln und lebten zuletzt in Wien. Der Ältere soll bei Kämpfen in Syrien schwer verletzt worden sein; nach seiner Rückkehr soll er damit begonnen haben, seinen Bruder ebenfalls für den Dschihad zu begeistern. Die beiden planten ihre Ausreise, die die Polizei jedoch im November 2014 mit einer Verhaftung verhindern konnte.

Bisher hatte der 23-Jährige angegeben, er sei zwar in Syrien gewesen, jedoch bei der gemäßigten Freien Syrischen Armee (FSA), außerdem habe er nur als Sanitäter gearbeitet. Der jüngere Bruder hätte laut Verteidiger nur drei Monate nach Istanbul reisen sollen, um dort eine Schule zu besuchen - mehr dazu in Vierter Dschihadistenprozess angelaufen und in Vierter Dschihadistenprozess: Zeugen befragt.

„Sag niemanden, wohin ich gehe, und was ich tue“

Am Montag wurde nun eine Zeugin befragt, der der 17-Jährige so etwas wie einen Abschiedsbrief geschrieben hatte - die beiden waren befreundet, die junge Frau hatte den Brief allerdings nie ausgehändigt bekommen. Darin schrieb der Angeklagte unter anderem: „Sag niemandem, wohin ich gehe, und was ich tue“. Das Mädchen gab an, sie habe keine Ahnung, warum er das geschrieben habe.

Weiters schrieb der 17-Jährige an die „leuchtende Rose des Islam“, sie solle nicht traurig sein und wegen ihm nicht schwach werden, was sich auf ihren Glauben bezog. „Das ist ein Abschiedsbrief, weil er mit seinem Bruder nach Syrien gehen wollte“, war der Richter überzeugt. „Wie bitte?“, fragte die Zeugin. „Sie brauchen nicht so überrascht zu tun“, ermahnte sie der Vorsitzende.

„Das ist vollkommener Blödsinn“

Weiters stand in dem Brief, das Mädchen solle sich mehr mit dem Glauben beschäftigen und ihren Account in einem sozialen Netzwerk deaktivieren. „Warum?“, wollte der Richter wissen. „Ich habe mich zu viel damit beschäftigt, ich sollte nicht so viel dort herumhängen“, erklärte die Zeugin. „Man könnte glauben, er möchte verschleiern, was er ihnen geschrieben hat“, vermutete der Richter.

Die Zeugin erklärte weiter, sie habe sich nichts dabei gedacht, als der 17-Jährige mit einem T-Shirt mit IS-Emblem in der Schule erschien. „Hat da kein Lehrer etwas gesagt? Ich stelle mir vor, was passiert, wenn einer mit einem Hakenkreuz-Shirt dasitzt“, warf der Staatsanwalt ein. „Ich weiß nicht mehr“, so die Zeugin. „Das ist vollkommener Blödsinn. Alles, was sie uns gesagt haben, war für nichts“, fasste der Richter schließlich zusammen.

Beschwerde von türkischen Eltern

Unter den Zeugen, die am Montag im Dschihadisten-Prozess befragt wurden, war auch jener mutmaßliche Hassprediger, gegen den ebenfalls ein Verfahren in Graz läuft - der ältere der beiden Angeklagten soll Reden des Predigers gehört haben. „Ich werde keine Aussage machen“, erklärte dieser gleich zu Beginn. Der Richter belehrte ihn daraufhin, dass er sich bei Themen, über die er bereits bei der Polizei gesprochen habe, nicht entschlagen könne.

Vorgehalten wurde ihm ein Telefongespräch mit einem Bekannten, in dem sich dieser beklagte, es habe Probleme in der Moschee gegeben: Türkische Eltern hätten sich beschwert, „dass wir ihren Sohn radikalisiert haben“. Gemeint war der 23-Jährige. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt, ein Urteil wird für Donnerstag erwartet.

Zwei Verfahren bislang beendet

Zwei IS-Prozesse gingen bereits mit einem erstgerichtlichen Urteil zu Ende - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft und in Dschihadistenprozess: „Urteil sehr streng“ sowie in Dschihadistenprozess: Haft für sechs Angeklagte, ein weiterer - es handelt sich dabei um den Prozess gegen den islamischen Prediger - wurde vertagt; dieser Prozess soll Mitte April fortgesetzt werden, ein Urteil ist da aber noch nicht zu erwarten - mehr dazu in Grazer Dschihadistenprozess wurde vertagt (29.2.2016).