Dschihadistenprozess: Zeugen bedroht

Der vierte Dschihadistenprozess gegen einen bosnischen Prediger und einen mutmaßlichen IS-Kämpfer ist am Montag in Graz fortgesetzt worden - teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil Zeugen bedroht wurden.

Am Straflandesgericht gingen in den vergangenen Wochen drei Dschihadistenprozesse zu Ende - mehr dazu in Schuld- und Freispruch im Dschihadistenprozess (22.3.2016), Dschihadistenprozess: Haft für sechs Angeklagte (14.3.2016) und Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft (3.3.2016).

In Graz ist am Montag nun der Prozess gegen zwei mutmaßliche Dschihadisten fortgesetzt worden. Angeklagt sind ein Tschetschene, dem vorgeworfen wird, dass er als IS-Kämpfer an Massakern beteiligt gewesen sein soll und ein bosnischer Prediger, der junge Männer dazu gebracht haben soll, als IS-Kämpfer nach Syrien zu gehen. Beide Männer blieben am Montag dabei, nichts mit den Vorwürfen zu tun zu haben.

Dschihadistenprozess in Graz

APA/Erwin Scheriau

Das Straflandesgericht wird schwer bewacht

Beginn mit mehr als einstündiger Verpsätung

Die Verhandlung hatte bereits mit einer mehr als einstündigen Verspätung begonnen, da einige Geschworene offenbar den Termin vergessen hatten. Anschließend schilderte der Richter, was sich in Bezug auf die Beweisanträge - der Senat hatte alle bis auf einen zugelassen - getan hatte. So wurde beim Heeresnachrichtenamt angefragt, ob es Luftbilder oder Aufzeichnungen vom Funkverkehr aus syrischen Gebieten gibt, in denen IS-Massaker stattgefunden haben sollen, doch es gab keine derartigen Dokumentationen.

Bestätigt wurde allerdings, dass die in der Anklage angeführten Massaker „definitiv passiert“ seien. Einige Videos wurden übersetzt, darunter ein Film über die Bergung von Leichen aus einem Brunnenschacht. Laut Richter stehe fest, dass es sich um kein Massaker der Freien Syrischen Armee (FSA) gehandelt habe, sondern dass die Opfer anscheinend dem IS zuzurechnen seien.

Ausschluss der Öffentlichkeit nach Drohungen

Nach einer kurzen Erläuterung der Beweisanträge der beiden Verteidiger wurde allerdings die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Und zwar zum Schutz der Zeugen, da es zuvor Drohungen gegeben hatte: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Zeugen um ihr Leben fürchten müssen“, begründete der Richter seine Entscheidung.

Bisher mussten die Zuhörer nur einmal den Schwurgerichtssaal verlassen, als es um eine Zeugin ging, die zur Radikalisierung ihres Sohnes befragt wurde. Eine andere Frau hatte Droh-SMS bekommen, bevor sie bei Gericht aussagte. „Diese SMS wurden äußerst professionell verfasst, ihre Herkunft lässt sich nicht nachvollziehen“, meinte der Richter.

Gericht lädt sämtliche Zeugen

Rund 40 Zeugen hatten die Anwälte der beiden Angeklagten in dem Terror- und Mordprozess Ende Februar beantragt. Der Prediger erwartet sich offenbar, dass sie aussagen, er habe niemanden explizit aufgefordert, als Kämpfer in den Dschihad nach Syrien zu ziehen. Vielmehr habe er manchen davon abgeraten.

Dschihadisten-Prozesse in Graz

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Zeugenanzahl unklar

Das Gericht will nun wohl auf Nummer sicher gehen: Der Oberste Gerichtshof soll keinen Grund haben, eine etwaige Verurteilung aufzuheben, weil Zeugen der Verteidigung nicht geladen wurden, so die Gerichtssprecherin Barbara Schwarz: „Es sind insgesamt 40 Zeugen geladen, die sich über ganz Europa verteilen, wahrscheinlich auch nach Syrien. Wir wissen aber nicht, wie viele der Zeugen kommen werden.“

Besonders interessant als Zeuge wäre ein christlicher Pater aus Syrien gewesen. Der zweite Angeklagte, dem die Beteiligung an Morden einer tschetschenischen IS-Einheit vorgeworfen wird, hat das bestritten und gemeint, er habe in Syrien unter anderem bei dem Pater gewohnt. Dieser lebt jedoch in einem besetzten syrischen Gebiet - und war als Entlastungszeuge nicht erreichbar. Einen laut Staatsanwalt Anführer der betreffenden tschetschenischen IS-Einheit konnte das Gericht ebenfalls nicht erreichen.

Geheimdienstprotokolle angefordert

Der Verteidiger des Tschetschenen wollte auch Funkprotokolle von Geheimdiensten aus den IS-Kampfgebieten in Syrien. Denn sein Mandant betonte stets, nichts mit den Massakern in Syrien zu tun gehabt zu haben. Ein Zeuge aus dem Zeugenschutzprogramm hatte allerdiings ausgesagt, dass er sehr wohl über Funk gehört habe, dass dieser bei der tschetschenischen IS-Einheit vor Ort gewesen sei, die die Massaker verübt habe.

Dschihadisten-Prozess in Graz

APA/Erwin Scheriau

Brunnen voller Blut und Leichen

Das Gericht fragte also beim Heeresnachrichtendienst nach. Dort hieß es, es gebe keine Aufzeichnungen - sehr wohl aber Videos der beschriebenen Massaker auf Youtube. Sie zeigen wie oben kurz erwähnt eine Gruppe von Männern, die vor einem Brunnen steht - zwischen ihnen am Sandboden Leichen. In der Mitte ein Brunnenschacht, aus dem weitere tote Menschen mit Seilen gezogen werden. Die Innenwände des Brunnens sind voller Blut.

Lebenslange Haftstrafen drohen

Bei Verurteilungen drohen den Angeklagten harte Strafen - das haben die bisher drei Urteile in Graz gezeigt: Zehn Jahre Haft für einen türkischstämmigen Taxifahrer aus Graz wegen Mordversuchs und Terrorbeteiligung als IS-Kämpfer in Syrien; acht Jahre für einen gebürtigen Bosnier, der laut dem Urteil nach Syrien wollte, aber gestoppt wurde; und sechs Jahre für einen Grazer Imam.

Den zwei Angeklagten im aktuellen Prozess droht sogar lebenslang. Ein Urteil dürfe es aber frühestens in zwei Monaten geben. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt, dabei dürfte die Öffentlichkeit weiter ausgeschlossen bleiben.