Dschihadistenprozess: Zweimal vier Jahre Haft

Im fünften Dschihadistenprozess in Graz sind Anfang Juni zwei Brüder vor Gericht gestanden: Sie sollen für Terrororganisationen in Syrien gekämpft haben. Das Urteil - je vier Jahre unbedingte Haft - ist nicht rechtskräftig.

Ende des Vorjahres wurden die beiden Männer in einem Caritas-Flüchtlingsheim in Lebring verhaftet, seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft - mehr dazu in Mutmaßliches Dschihadisten-Brüderpaar verhaftet (23.12.2015). Beide Angeklagten sind syrische Staatsbürger und Mitte des Vorjahres als Flüchtlinge über die Balkan-Route und Ungarn nach Österreich gekommen - teilweise mit Hilfe von Schleppern, so die Staatsanwaltschaft. Vor ihrer Verhaftung hatten sie auch einen Asylantrag gestellt.

Sollen sogar gegeneinander gekämpft haben

Dem älteren der Brüder wird vorgeworfen, von 2013 bis 2015 der Terrorvereinigung Ahrar al-Scham - einer der mächtigsten Rebellengruppen in Syrien - angehört zu haben. Dort soll der 19-Jährige eine Waffenausbildung mit Kalaschnikows und Maschinengewehren bekommen und danach auch für die Organisation gekämpft haben - mit dem Ziel, das Assad-Regime in Syrien zu stürzen.

Der jüngere, erst 16 Jahre alte Bruder soll dagegen über ein Jahr lang der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gedient haben. Auch er soll eine spezielle Ausbildung absolviert, danach als Schariapolizist im Einsatz gewesen sein - und sogar gegen seinen eigenen Bruder gekämpft haben. Die Anklage wirft dem Burschen vor, damit auch terroristische Straftaten wie Mord, Nötigung und sexuelle Ausbeutung unterstützt zu haben.

„Wusste nicht, was der IS ist“

Der junge Syrer war, so sagte er am Donnerstag aus, bereits als 14-Jähriger als Schariapolizist für den IS im Einsatz - wer seinen Aufforderungen nicht Folge leistete, wurde ins Gefängnis gebracht und dort ausgepeitscht. Von anderen Konsequenzen, die dort passiert seien, wisse er aber nichts: Die Frage des Richters, ob er jemals Menschen, die er verhaftet habe, wiedergesehen habe, verneinte der Angeklagte.

Auf die Frage, warum er zum IS gegangen sei, antwortete der Bursche, dass er sein Dorf vor den Assad-Truppen verteidigen wollte. Er habe am Anfang nicht gewusst, dass die IS-Leute Verbrecher seien - sie hätten ihn zum gemeinsamen Sport überredet und ihm Geld gegeben. Sobald er konnte, sei er geflüchtet. Der Richter fragte nach: „Sie haben ja in der Schariaausbildung gelernt, dass der IS die Weltherrschaft übernehmen und alle Ungläubigen umbringen will - da müssten Sie doch gewusst haben, wo Sie hingehen?“ Der junge Mann verneinte und bekannte sich nicht schuldig, weil er nicht gewusst habe, was der IS ist.

„Geschossen, aber nicht richtig gekämpft“

Sein Bruder - heute 19 Jahre alt - bekannte sich gleich zu Beginn der Verhandlung schuldig, bei einer dem IS nahestehenden Kampfeinheit gewesen zu sehen. Dort, so sagte er am Donnerstag aus, habe er nur gekocht, gekämpft habe er nicht. Als ihm der Richter vorhielt, dass er in vorherigen Aussagen sehr wohl zugegeben habe, in mehreren Kämpfen geschossen zu haben, besprach sich der Angeklagte kurz mit seinem Anwalt - dann sagte er aus, es kann wohl sein, dass er geschossen habe, richtig gekämpft habe er nicht.

Urteile noch nicht rechtskräftig

Die beiden Brüder wurden von einem Grazer Jugendschöffengericht zu je vier Jahren unbedingter Haft verurteilt, die beiden Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Am Grazer Straflandesgericht gingen in diesem Jahr bereits drei Dschihadistenprozesse zu Ende - mehr dazu in Schuld- und Freispruch im Dschihadistenprozess (22.3.2016), Dschihadistenprozess: Haft für sechs Angeklagte (14.3.2016) und Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft (3.3.2016).