Dschihadistenprozess im Finale

Der wohl größte der Grazer Dschihadistenprozesse ist am Dienstag mit Zeugenbefragungen fortgesetzt worden. Angeklagt sind ein Prediger und ein mutmaßlicher IS-Kämpfer. Am Mittwoch könnte es das Urteil geben.

Der Prozess gegen den in Serbien geborenen Wiener Prediger und einen weiteren mutmaßlichen Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist ein Präzedenzfall. Der Prediger gilt als Schlüsselfigur, in der Anklage ist vom „Popstar“ der österreichischen Dschihadistenszene die Rede.

Prediger bekennt sich nicht schuldig

Der 35-Jährige, der 2014 verhaftet wurde, soll IS-Kämpfer angeworben haben – ihm wird Terrorismus und Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Er bekennt sich nach wie vor nicht schuldig, bestätigt sein Anwalt: „Ja, so ist es. Er bekennt sich weiter nicht schuldig.“

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Der angeklagte Prediger gilt als Schlüsselfigur in der Dschihadistenszene

Vor Richtersenat und Geschworenen mitangeklagt ist auch ein 28 Jahre alter Tschetschene: Er soll in Syrien Morde begangen haben. Im Prozessverlauf gab er zu, beim IS gewesen zu sein, leugnete aber, gekämpft und getötet zu haben. Im Februar hatte der Prozess gegen die beiden begonnen und war im Mai vertagt worden - mehr dazu in Dschihadistenprozess – fortgesetzt und vertagt (17.5.2016).

Videos und Handy-Protokolle

Die Verhandlung am Dienstag begann mit dem Antrag des Staatsanwalts, dass weitere Videos gezeigt und Protokolle zu Handy-Überwachungen verlesen werden - sie sollen nach seiner Ansicht zeigen, dass der angeklagte Prediger sehr wohl für viele junge Menschen Auslöser gewesen sein soll, nach Syrien zu gehen. Dem Antrag wurde stattgegeben, die Verteidigung sprach von „reiner Spekulation“. Auch der Prediger selbst betonte am Dienstag noch einmal: „Ich habe niemals Leute dazu aufgefordert, dass sie nach Syrien gehen.“

„Sie schützen wen“

Die weitere Verhandlung war bestimmt von weiteren Zeugeneinvernahmen: Dabei erklärte ein 23-Jähriger - gegen ihn läuft ebenfalls ein Verfahren -, den angeklagten Prediger zwar aus einer Grazer Moschee zu kennen, seine Predigten aber vorwiegend über das Internet verfolgt zu haben. Zu den Inhalten konnte der Zeuge nichts sagen, auch will er keinen Kontakt zu dem Prediger gehabt haben, obwohl er - wie die Staatsanwaltschaft vorweisen konnte - die Nummer des Predigers an seine Schwester weitergeschickt hatte.

Auch sie wurde befragt und gab zunächst an, „die Vorträge nie gehört“ zu haben. „Warum lügen sie die Geschworenen an?“, fragte daraufhin der Staatsanwalt und legte der Zeugin das Protokoll einer früheren Einvernahme vor. Daraufhin erinnerte sich diese, doch einmal bei einer Predikt dabei gewesen zu sein. „Sie schützen wen“, vermutete der Richter, bekam darauf aber keine weitere Aussage.

„Das Strafrecht der Scharia ist gut“

Am Vormittag wurde schließlich auch noch ein Schüler des Predigers befragt, der in Wien bereits rechtskräftig wegen Beteiligung an einer Terrororganisation verurteilt wurde. Der 19-Jährige entlastete den Hauptangeklagten und gab an, aus persönlicher Motivation heraus nach Syrien gefahren zu sein. Mit den Predigten des Angeklagten habe er sich fortbilden wollen: „Syrien hat er nie erwähnt“, so der Zeuge.

Allerdings wies er auch große Erinnerungslücken auf: „Wie stehen sie heute zum IS?“, fragte der Richter. „Das möchte ich nicht sagen“, antwortete der 18-Jährige. „Müssen sie aber“, so der Vorsitzende. Nach einigem Hin und Her meinte der Zeuge, er finde „nicht alles gut“, was der IS mache. „Was ist gut?“, wollte einer der Beisitzer wissen. „Das Strafrecht der Scharia“, kam es nach einigem Zögern. „Sie finden es also gut, wenn man jemandem die Hand abhackt oder Frauen steinigt?“, formulierte es einer der Richter, worauf er keine Antwort bekam.

Der Zeuge weigerte sich beharrlich, Personen, die auf den Fotos von seinem Handy zu sehen waren, zu identifizieren. „Ich kenne diese Bilder nicht“, lautete seine Aussage. Bei den Koranverteilungsaktionen wollte er auch nie mitgemacht haben, doch der Richter zeigte ihm ein Foto, wo er mit drei dieser Bücher abgebildet ist: „Und warum gehen Sie dann mit der Familienpackung herum?“ Der Staatsanwalt erklärte, er werde die Akten aus Wien kommen lassen und behielt sich die Einleitung eines weiteren Verfahrens vor.

28-Jähriger erneut schwer belastet

Am Nachmittag wurde erneut jener Mann befragt, der sich mittlerweile im Zeugenschutzprogramm befindet - daher betrat er den Saal maskiert und hatte seine eigene Bewachung dabei. Er belastete bereits bei seiner ersten Aussage in diesem Prozess den angeklagten 28-Jährigen schwer, indem er erklärte, er habe ihn bei einem Massaker der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) über Funk gehört. Diese Aussage bekräftigte er am Dienstag.

Urteil könnte am Mittwoch fallen

Für Mittwoch sind die ergänzenden Ausführungen des Islamismus-Sachverständigen sowie eines Privatgutachters geplant. Sollten keine weiteren Anträge erfolgen, könnte es am Abend ein Urteil geben. Den beiden Angeklagten droht ihm Falle einer Verurteilung lebenslange Haft.

Im fünften - dem bisher letzten - Dschihadistenprozess standen zwei Brüder vor Gericht: Sie sollen für Terrororganisationen in Syrien gekämpft haben. Die Urteile - je vier Jahre unbedingte Haft - sind nicht rechtskräftig - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Zweimal vier Jahre Haft (1.6.2016).