Schulweg für Viertklässler besonders gefährlich

Im Vorjahr hat der Schulweg für rund 500 Kinder im Spital geendet. Besonders gefährdet sind aber nicht Schulanfänger, sondern die Zehn- und Elfjährigen: Es mangle an Routine, außerdem würden Fähigkeiten oft überschätzt.

Besonders jetzt vor Schulbeginn sollten Eltern den Schulweg und das richtige Verkehrsverhalten mit ihren Kindern üben. Laut dem Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Holger Till, ist dabei die Altersgruppe der Zehn- und Elfjährigen rund dreimal häufiger in Unfälle am Schulweg verwickelt als die der Schuleinsteiger - diese sind sogar am sichersten unterwegs: „Sie werden in der Regel gut vorbereitet und oftmals begleitet“, so Till.

„Kinder haben nach den Ferien einiges vergessen“

Das Risiko verdopple sich jedoch zu Beginn der zweiten Klasse: „Die Kinder gehen dann schon alleine zur Schule, haben aber nach den Ferien einiges vergessen oder sind umgezogen, so dass für sie die Strecke wieder neu ist“, gibt Till zu bedenken.

Kind am Schulweg

dpa/Patrick Pleul

Auf dem Schulweg lauern viele Ablenkungen für Kinder

Fehlende Routine nicht überschätzen

Bei den Elfjährigen erreichen die Unfallzahlen dann einen absoluten Höhepunkt, wie die langjährigen Erhebungen der Grazer Kindersicherheitsexperten „Große schützen Kleine“ am Grazer LKH-Uniklinikum zeigen: „Nach der freiwilligen Radfahrprüfung in der vierten Volksschulklasse werden die Fähigkeiten der Kinder oft überschätzt, die Routine fehlt jedoch noch“, warnt Till.

Durch scheinbare Routine und nachlassendem Gefahrenbewusstsein ereignen sich die meisten Unfälle auch nicht in den ersten Schulwochen - im Oktober verdoppeln sich die Unfallzahlen.

Zahlreiche Ablenkungen möglich

Zusätzlich steige auch das Risiko durch Ablenkungen stark an: Das Bewusstsein für vorhersehbare Gefahren sei bei Elfjährigen zwar voll ausgebildet, werde aber offenbar durch verschiedenste Ablenkungen nicht selten stark ausgeblendet. „Straßenverkehr bedeutet, Multitasking ist out. Wenn ich mich im Straßenverkehr bewege, sollte Telefonieren, Texten, Musik hören oder mit dem Handy spielen - Stichwort aktueller Hype ‚Pokemon Go‘ - natürlich nicht stattfinden. Das Handy soll in der Hosentasche, Jackentasche und Schulrucksack bleiben“, rät Peter Spitzer, Leiter des Forschungszentrums für Kinderunfälle bei „Große schützen Kleine“.

„‚Pokemon Go‘ hat auf Schulweg nichts zu suchen“

Auch Till unterstreicht: „Spiele wie ‚Pokemon Go‘ dürften im Herbst für ein noch höheres Risiko sorgen“, so der Mediziner, „das Spiel hat ein extrem hohes Ablenkungspotenzial“.

Im Verkehr sei das Unfallrisiko ein doppelt hohes: „Da gibt es Kinder, die dann einfach über die Straße laufen, ohne zu schauen, gar nicht zu denken an spielende Erwachsene, die vielleicht mit dem Fahrrad oder Pkw ihren Weg kreuzen könnten“, gibt Till zu bedenken. „Pokemon Go“ habe daher „in der Hand von Schülern am Weg zur Schule nichts zu suchen“, betont der Präsident von „Große schützen Kleine“, der die App auch selbst getestet hat.

„Verletzung der Aufsichtspflicht“

Die Grazer Experten wollen bei künftigen Kinderunfällen im Verkehr nun auch erheben, ob es Zusammenhänge zwischen Handyspielen und dem Unfall gibt. Wer es seinen Kindern als aktive Verkehrsteilnehmer erlaube, am Handy zu spielen, verletzte aus seiner Sicht die Aufsichtspflicht.

Experte rät von täglichem „Taxiservice“ ab

Darüber hinaus hätten Eltern laut Spitzer auch die Verantwortung, den Schulweg und das richtige Verhalten im Straßenverkehr ganz prinzipiell mit ihren Kindern zu üben - „mehrmals und nach einigen Wochen noch einmal“.

Das probateste Mittel für die Sicherheit der Kinder am Schulweg sei laut Spitzer nämlich die Begleitung der Kinder in die Eigenverantwortung - und nicht der „tägiche Taxiservice“: „Wir sehen, wie dramatisch das Verkehrschaos vor der Schule ist, wie groß die Gefahr für die Kinder ist, weil die Eltern selbst das Risiko schaffen für ihre Kinder, indem sie bis ganz vor die Schule fahren - am liebsten bis ins Klassenzimmer hinein.“

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