Prozess gegen Amokfahrer von Graz gestartet

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag in Graz der Prozess gegen den Grazer Amokfahrer begonnen. Der Mann hatte Ende Juni 2015 mit seinem Wagen drei Menschen getötet, über hundert wurden teils schwer verletzt.

Der 27-jährige Beschuldigte muss sich für seine Amokfahrt durch die Grazer Innenstadt verantworten - mehr dazu in Nach Amokfahrt: Die Stadt trauert (22.6.2015) - und er muss persönlich vor Gericht erscheinen: Laut zweier psychiatrischer Gutachten ist der 27-Jährige voll verhandlungsfähig - mehr dazu in Grazer Amokfahrer muss bei Prozess erscheinen.

Verhandelt werden 113 Taten

Es ist ein Geschworenenprozess unter der Leitung von drei Berufsrichtern, der gegen den 27-Jährigen geführt wird; zehn Laienrichter entscheiden. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, bei seiner Amokfahrt am 20. Juni 2015 drei Menschen - zwei Erwachsene und ein Kind - getötet zu haben, indem er „mit hoher Geschwindigkeit und gezielt“ auf sie zufuhr.

Die Grazer Amokfahrt

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Außerdem soll er versucht haben, zwei Personen vorsätzlich zu töten, indem er sie mit dem Fahrzeug niederstieß und sie dann mit einem Messer attackierte. In 108 Fällen - sechs davon betreffen Kinder - wird dem Mann versuchte Tötung vorgeworfen.

136 Zeugen, sieben Sachverständige

136 Zeugen sollen gehört werden - mehr dazu in Prozess mit 136 Zeugen (17.8.2016), dazu kommen noch sieben Sachverständige. Prominentester Zeuge ist der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), der damals mit seinem Motorroller unterwegs war und im letzten Moment ausweichen konnte, als der Amokfahrer mit seinem Auto auf ihn zusteuerte.

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Beginn des Amokfahrer-Prozesses

Großer medialer Andrang und zahlreiche Besucher sind schon Dienstagfrüh beim Straflandesgericht in Graz angekommen, um den Prozess mitzuverfolgen.

Unmittelbar vorher war der 27-Jährige direkt in ein junges Paar hineingefahren, der Mann war auf der Stelle tot. Ein vierjähriger Bub, der in der Fußgängerzone spielte, wurde ebenfalls frontal erfasst und starb. Das dritte Todesopfer war eine Frau, die am Rücken erfasst und tödlich verletzt wurde.

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Opfer der Amokfahrt im Gespräch

ORF-Steiermark-Reporterin Birgit Zeisberger hat im Vorfeld des Prozess mit einigen Opfern der Amokfahrt gesprochen.

Besonderheit im Verfahren

Die abschließenden Gutachten kamen zu dem Schluss, dass der Beschuldigte verhandlungsfähig ist. Es gibt aber eine Besonderheit: Verhandelt wird nicht eine Klage, da die Staatsanwaltschaft Anfang Juli einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingebracht hat. Der Beschuldigte war seit Anfang Juni dieses Jahres in der Justizsonderanstalt Göllersdorf in Niederösterreich untergebracht - mehr dazu in Grazer Amokfahrer kommt nach Niederösterreich (16.6.2016).

Unter Beobachtung eines Arztes

Daher werde während der Verhandlung ein Arzt den Gesundheitszustand des Beschuldigten beobachten, sagte Gerichtssprecherin Barbara Schwarz: „Falls es Probleme geben sollte, kann auch jederzeit eine Pause gemacht werden, und bei einem Verfahren hinsichtlich der Einweisung kann auch in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt werden.“

Amokfahrerprozess

ORF

Strafe oder Einweisung

Die acht Geschworenen werden aufgrund der Ergebnisse der Hauptverhandlung entscheiden, ob der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht. Befinden sie ihn für zurechnungsfähig, entscheiden die Geschworenen gemeinsam mit den drei Berufsrichtern über die Strafe. Wird die Zurechnungsfähigkeit verneint, entscheiden Geschworene und Richter über die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Der Prozess findet im großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts statt - unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Im Saal selbst sind nur bis zu hundert Medienvertreter und die Opfer und Zeugen zugelassen, für Zuschauer wird die Verhandlung per Livestream in einen anderen Raum übertragen. Für den Prozess wurde der Schwurgerichtssaal eigens umgebaut, so können unter anderem auch Personen mit Rollstuhl selbstständig zufahren - mehr dazu in Bauliche Maßnahmen vor Amokfahrer-Prozess.

Keine Handys, Taschen, Rucksäcke

Das Konzept, das bei den Dschihadistenprozessen zum Einsatz kam, wurde für die Verhandlung gegen den Amokfahrer adaptiert, so Schwarz: Besucher müssen sich ab 7.30 Uhr eine Gratiszutrittskarte für jenen Saal holen, in den die Verhandlung übertragen wird. Die Karte gilt nur für einen Tag, Plätze können nicht reserviert werden. Mobiltelefone sind im Übertragungssaal nicht erlaubt, da verbotenerweise Fotos oder Videoaufnahmen gemacht werden könnten, auch die Mitnahme von Taschen und Rucksäcken ist nicht erlaubt. Weitere Informationen für Besucher sind auf der Website des Landesgerichts zu finden.

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