Amokfahrt: Probleme beim Schmerzensgeld

Ein Thema im Umfeld des Grazer Amokfahrerprozesses sind auch die Schmerzensgeldzahlungen. Aufgrund der vielen Verletzten drohen diesen Kürzungen, da voraussichtlich der Versicherungsrahmen überschritten wird.

Das Auto des Amoklenkers

APA/Elmar Gubisch

Liveticker aus dem Gerichtssaal

steiermark.ORF.at berichtet via Liveticker direkt aus dem Gerichtssaal: Tag zwei im Grazer Amokfahrerprozess

Seit Dienstag steht der Grazer Amokfahrer vor Gericht: Er raste vor 15 Monaten mit einem Geländewagen durch die Grazer Innenstadt und soll für den Tod von drei Menschen und für Verletzungen von mehr als 100 Personen verantwortlich sein - mehr dazu in Der Grazer Amokfahrer vor Gericht.

5,8 Mio. Euro dürften zu wenig sein

So einen Fall gab es bisher weder für die Versicherung noch für die Grazer Opferanwälte. Laut Gesetz haftet die Wiener Städtische in diesem Fall für Personenschäden bis zu maximal 5,8 Millionen Euro – sie war die Kfz-Haftpflichtversicherung des Vaters des Amokfahrers, der der Fahrzeughalter des grünen Geländewagens war.

Dieser gesetzliche finanzielle Rahmen dürfte aber nicht reichen, sagt Opferanwalt Bernhard Lehofer am Rande des Strafprozesses: „Momentan schaut es so aus, dass die Versicherung kommuniziert, dass die Leute um zehn bis 15 Prozent der ihnen zustehenden Ansprüche umfallen werden, derzeit ist das in einem verkraftbaren Bereich. Das ergibt sich aus der Rechtslage, denn man kann von der Versicherung nicht verlangen, dass sie mehr zahlt, das dürfte sie ja gar nicht.“

Bislang noch keine Kürzungen

Allerdings holen sich aus diesem Rahmen von 5,8 Millionen Euro auch die Krankenversicherungen Geld zurück – nämlich für die Spitalsaufenthalte der Opfer. Anwalt Gunther Ledolter, der rund 50 Betroffene vertritt, sagt: „Nach meinen letzten Informationen ist das ein sehr relevanter Anteil, allenfalls mehr als die Hälfte - für die Regressforderungen der Sozialversicherungen im Vergleich zu Schadenersatzzahlungen für die Opfer.“ Allerdings sagt Ledolter auch, bisher sei nicht gekürzt worden bei jenen von ihm vertretenen Opfern, die leichte und mittelschwere Verletzungen erlitten haben und wo es bereits eine Einigung mit der Versicherung gibt.

Niedrige Schmerzensgeldzahlungen in Österreich

Nur komme halt dazu, dass die Gerichte knausrig und Schmerzensgeldzahlungen in Österreich im internationalen Vergleich überhaupt niedrig seien, so Ledolter: „In Österreich sind die Schmerzensgeldzahlungen im absolut untersten Drittel, wenn man berücksichtigt, wie schlecht es manchen Opfern über ein Jahr gegangen ist. Über 50.000 Euro sind schon mit schwersten Verletzungen verbunden.“

Bernhard Lehofer, der die Eltern des bei der Amokfahrt getöteten vierjährigen Buben vertritt, meint zu Zahlungen für seelisches Leid: „Da gibt es Sachverständige, die schauen sich an, ob das psychische Leid Krankheitswert erreicht hat, aber im Verhältnis, zu dem was Geschädigte eines Todesfalles ein ganzes Leben lang zu leiden haben, sind das Bagatellen, und wenn man das vergleicht mit einem Knochenbruch, der in ein paar Wochen verheilt, dann stimmt da die Relation nicht. Aber ich bin nicht der oberste Gerichtshof.“ Auch Ledolter wünscht sich eine Anpassung und eine Erhöhung der Schmerzensgeldzahlungen in Österreich, einen Trend in diese Richtung bei psychischem Leid gebe es schon, sagt wiederum Lehofer.

„Moralisch werden wir nie das Auslangen finden“

Von der Wiener Städtischen Versicherung heißt es, man bemühe sich, rasch Lösungen zu finden, werde kein bereits ausgezahltes Geld zurückfordern und wolle möglichst nicht den Opfern, sondern den Krankenversicherungen weniger zahlen, und jeder Betroffene habe zumindest schon etwas Geld bekommen. Und die Opferanwältin Susanna Ecker, die jene junge Bosnierin vertritt, die schwerste bleibende Verletzungen erlitten und ihren Mann verloren hat, sagt – egal wie hoch der Betrag ist: „Wenn wir sie fragen, ‚Reicht das?‘, wird sie sagen, ich hätte mir ein anderes Leben vorgestellt, und das kann mir sowieso niemand kaufen. Moralisch werden wir nie das Auslangen finden.“ Aber sie, so die Anwältin, bemühe sich um eine Lösung, die der Mandantin das Leben finanziell möglichst erleichtert.