Graz-Wahl: Stingl vermisst politische Kultur

Keine politische Kultur und zu wenig Stabilität, um schwierige Probleme zu lösen: Der Grazer Alt-Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ) spart im Vorfeld der Grazer Gemeinderatswahl am 5. Februar nicht mit Kritik an der jüngsten Stadtpolitik.

Stingl war von 1985 bis 2003 Bürgermeister in Graz und galt stets als Vermittler zwischen den Parteien. Auch nach seinem Rückzug blieb er den Sozialdemokraten treu und unterstützte seine Nachfolger - sofern sie seine Hilfe annahmen, sagte er.

„Können immer an mich herantreten“

Von Michael Ehmann, SPÖ-Spitzenkandidat bei der Gemeinderatswahl am 5. Februar, halte er viel, deshalb hat er sich bereit erklärt, mit auf die Wahlplakate zu gehen: „Ich dränge mich nicht auf, aber wenn mich jemand braucht, können sie immer an mich herantreten.“

Zu SPÖ: „Am Boden bleiben“

Angesprochen auf den Zustand der SPÖ, die bei der vergangenen Gemeinderatswahl nur noch gut 15 Prozent geschafft hatte, wollte er „am Boden bleiben“. Kampfabstimmungen um die Parteispitze und häufig wechselnde Klub-Chefs seien schlecht: „Das mögen die Leute nicht, daher wird so eine Partei nicht gewählt.“ Eine Aussicht auf eine Rückeroberung des Bürgermeisters erkenne er derzeit nicht.

„Traurig“ über Grossmann-Wechsel

Ob Siegfried Nagls (ÖVP) Coup, den ehemaligen SPÖ-Klubchef Michael Grossmann zu sich ins Boot zu holen, zehn Tage vor der Wahl glücklich war, bezweifelt Stingl - mehr dazu in Graz-Wahl: Ex-SPÖ-Klubchef kämpft für ÖVP. Der überraschende Wechsel Grossmanns zur ÖVP mache ihn „betroffen“, so Stingl, weil der ehemalige Kulturstadtrat den Schritt offenbar ohne Rücksprache mit Ehmann gegangen sei; selbst wenn es vorher einen Anruf gegeben habe, wäre das „keine Art“.

Wenn Grossmann schon zu Nagl wechsle, „dann muss er ja nicht gleich zur Pressekonferenz mitgehen“. Die Folge - der sofortige SPÖ-Ausschluss - sei traurig. Und Nagl und Grossmann, die sich vor die Presse setzten und von Kultur redeten, hätten „überhaupt kein Gespür für politische Kultur bewiesen“.

Stabilität und Integration

Als dringendste Erfordernis sieht Stingl derzeit eine stabile Regierung, „damit gehandelt werden kann“. Der Altbürgermeister sagte, er wünsche sich, dass man „endlich wieder einmal eine Legislaturperiode zu Ende bringt“. Als wichtigste Projekte sieht Stingl die Erschließung und Fertigstellung von Reininghaus und der Smart City an, doch auch die Integrationsfrage werde „eine ganze Generation begleiten“.

Kritik an FPÖ-Plakaten

Zentrale Aufgabe in einer „verunsicherten Welt“ sei „größtmögliche Stabilität auf der untersten Ebene - bei Städten und Gemeinden“. Die Plakate der FPÖ, die sich „ihr Graz zurückholen“ wolle, sieht er ebenfalls kritisch: „Wir sind Graz, das muss uns keiner zurückgeben.“ Ihn störe es, dass Graz mit Ausländerphobie verknüpft werden könnte - seien doch die vielen Nationen und Religionen eine Bereicherung für die Stadt.

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