Gedanken zum Karfreitag von Hermann Miklas

Alle paar Tage ein neuer Terroranschlag in Europa (oder in Ägypten), Giftgaseinsätze in Syrien, Bilder von verhungernden Kindern in Afrika... Unsere Fähigkeit des Mit-Leidens ist inzwischen ziemlich erschöpft. Wir hören die neuesten Schreckensmeldungen in den Nachrichten, sind für einige Augenblicke immer wieder ehrlich erschüttert – und müssen dann doch bald wieder zur gewohnten Tagesordnung zurückkehren. Anders wäre es emotional gar nicht mehr zu verkraften.

Sehr viel mehr an Pietät bleibt heute wohl auch für den Mann aus Nazareth nicht übrig, an dessen Hinrichtung am Karfreitag in aller Welt gedacht wird. Ist ja auch schon lange her. Fast 2.000 Jahre. Obwohl persönlich unschuldig, ist Jesus seinerzeit in einem aufsehenerregenden Prozess zum grausamen Tod durch Kreuzigung verurteilt worden.

Hermann Miklas

ORF

Die Karfreitagsansprache von Superintendent Hermann Miklas

Und doch haben die Ereignisse von damals und die Ereignisse von heute etwas miteinander zu tun. Das Bindeglied ist die Sehnsucht nach Erlösung.

Warum verüben Menschen Terroranschläge? Warum führen Völker Krieg gegeneinander? Warum greifen Idealisten und Ideologen so gern zum Schwert? Die landläufige Meinung ist: Sie würden das allein aus niederen, egoistischen Motiven heraus tun. Doch die Wahrheit ist wesentlich schlimmer. Tatsächlich nämlich werden die allermeisten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sozusagen „in bester Absicht“ verübt. Ohne auch nur das geringste Unrechts-Bewusstsein. In der krausen Überzeugung: Man könnte die Welt dadurch retten, indem man alle ausrottet, die dem eigenen Traum von einer neuen, paradiesischen Weltordnung in irgendeiner Weise im Wege stehen. Kurz gesagt: Man erhofft sich also Erlösung durch Gewalt.

Zwar ist Jesus Christus ebenfalls angetreten, um die Welt zu erlösen. Aber er hat genau den entgegen gesetzten Weg eingeschlagen. Ihm war klar: Gewalt kann nichts lösen. Gewalt wird immer wieder nur neue Gewalt gebären. Und deshalb hat er die Spirale der Gewalt ganz bewusst unterbrochen. Sein berühmter Satz aus der Bergpredigt mag provokant gewesen sein und vielleicht auch ein bisschen weltfremd. Aber er macht den radikalen Paradigmenwechsel anschaulich, um den es Jesus dabei gegangen ist: „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halt ihm auch die linke hin!“

Später hat er das am eigenen Leib konsequent durchgehalten. Er hat das ungerechte Todesurteil gegen sich selbst akzeptiert. Im Sinn von: Wenn schon Gewalt im Spiel sein muss, dann lieber gegen mich; gegen Gott – aber nicht gegen andere Menschen. Und als er nach langen, qualvollen Stunden am Kreuz von Golgatha endlich gestorben ist, da war eines seiner letzten Worte: „Es ist vollbracht!“ Auffallend: Das sind nicht die resignierten Worte eines Verlierers; sondern das klingt nach einem, der weiß, dass er mit seinem Tod letztlich einen Sieg errungen hat.

Die Welt ist seither nicht friedlicher geworden. Leider. Und doch: Der Bann ist gebrochen, dass es zur Gewalt keine Alternative gäbe. Es gibt sie. Und die Hoffnung lebt, dass am Ende der Tage nicht nur Leichenfelder das Bild der Welt beherrschen werden, sondern dass unsere geplagte Erde zu guter Letzt vom Frieden Gottes überzogen sein wird.

Nein, das Gedenken an den Tod Jesu am Karfreitag ruft nicht in erster Linie zu Pietät und Mitleid auf. Es lädt uns vielmehr zum aktiven Umdenken ein. Durchbrechen doch auch wir – in unseren ur-eigensten Bereichen – die Spirale der Gewalt und setzen (wo immer uns das möglich ist) deutliche Zeichen gegen Hass, Intoleranz und Fanatismus. Damit würden wir dem Geist von Karfreitag am besten gerecht werden.

Die Karfreitagsansprache von Superintendent Hermann Miklas können Sie auch hier nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar