Volksanwaltschaft: Missstände in Pflegeheimen

Die Volksanwaltschaft kritisiert in ihrem Jahresbericht Menschenrechtsverletzungen und strukturelle Gewalt in Alten- und Pflegeheimen. Auch eine steirische Einrichtung wird in dem Prüfbericht erwähnt.

Zu autoritäre Chefs, Mangel an gut qualifiziertem Personal und fehlender Teamgeist sind dem Volksanwaltschaftsbericht zufolge Hauptauslöser für Vernachlässigung. In einem Heim in Tirol etwa sollen alte Menschen in Harn und Kot gelegen sein - wegen Streitig­keiten zwischen Pflegekräften: Der Tagdienst reinigte sie vor dem zu Bettgehen nicht mehr, der Nachtdienst fühlte sich nicht zuständig. In einem anderen Heim wurden ältere Menschen mit In­kontinenzprodukten versorgt, obwohl sie gar nicht inkontinent sind.

Nachtmahl um 16.00 Uhr

Volksanwalt Günther Kräuter sagt: „In sehr vielen Einrichtungen ist sehr früh schon das Nachtmahl, manchmal schon um 16.00 Uhr.“ Danach müssen die Heimbewohner oft schon ins Bett. Eine Seniorin schilderte, dass sie ab dem Nachmittag nicht mehr trinkt, um nicht in der Nacht um Unterstützung beim Toilettengang bitten zu müssen - Angst vor unfreundlicher, abwehrender Reaktion von gestresstem Pflegepersonal wurde oft festgestellt.

Kein Baden am Feiertag

Viele Pflegeheimbewohner müssen laut Volksanwaltschaft akzeptieren, dass es nur einen Dusch- und Badetag pro Woche gibt, in einer Einrichtung seien gar die wöchentlichen Badetage ausgefallen, wenn sie auf einen Feiertag fielen - strukturelle Gewalt nennt die Volksanwaltschaft all das.

Dass Personalwechsel schaden können, zeigt ein steirischer Fall: In einem Heim wurden die Führung und 80 Prozent der Mitarbeiter getauscht, und für 35 Personen mit psychiatrischer Diag­nose waren im Nachtdienst nur zwei Pflegepersonen anwesend - 80 Stürze in acht Monaten mit teils schweren Verletzungen waren demnach die Folge.

„Krasse Menschenrechtsverletzung“

Ein Wiener Heim betreffend berichtet die Volksanwaltschaft, dass unruhigen, aufgeregten alten Menschen Medikamente verabreicht wurden und die Medizin bei Verweigerung gemörsert und in Nutella gemischt wurde. Volksanwalt Kräuter kritisiert allgemein, „dass Medikamentenabgaben nicht aus medizinischer Notwendigkeit erfolgen, sondern aus Personalknappheit, weil man damit die Patienten ruhig stellen will - das ist natürlich eine krasse Menschenrechtsverletzung“, etwa auch, wenn man dadurch ein frühes Einschlafen erreichen wolle.

In Niederösterreich, Oberösterreich und Tirol entdeckte die Menschenrechtskommission ungeeignete und nicht genehmigte Wohnheime: In Tirol etwa hatten laut Volksanwaltschaft zehn ältere, psychisch kranke Männer keinen Zimmer- und Haustorschlüssel und durften auch keine Handys haben.

Auch positive Veränderungen

Insgesamt besuchten die Volksanwaltschaftskommissionen im Vorjahr 125 Alten- und Pflegeheime und stellten durchaus auch positive Veränderungen fest: So stellte ein niederösterreichisches Landespflegeheim die Dienstpläne um, verlegte die Abendessenszeiten nach hinten und bietet den betagten Menschen nun auch ein Abendprogramm.

Link: