Zeiler: Medien sind Kontrolleure der Politik
In den 90er-Jahren war Gerhard Zeiler ORF-Generalintendant, danach wurde er RTL-Chef. Seit 2012 ist er Vorsitzender des Auslandsgeschäftes bei dem amerikanischen TV-Riesen Turner. In dieser Position ist Zeiler für 175 Sender in 200 Ländern zuständig. Einer der Sender, die Turner betreibt, ist CNN.
ORF Steiermark: Herr Zeiler, der Kampf ‚Donald Trump gegen die Medien‘ hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: Trump hat auf Twitter ein Video veröffentlicht, in dem er einen Mann mit CNN-Logo niederschlägt. Wie tickt dieser amerikanische Präsident?
#FraudNewsCNN #FNN pic.twitter.com/WYUnHjjUjg
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 2. Juli 2017
Gerhard Zeiler: Wie der amerikanische Präsident tickt, sieht man ja. Manche im Weißen Haus sehen es als Spaß-Video. Es ist auch nicht relevant, ob der Präsident und seine Mitarbeiter es als Spaß ansehen. Relevant ist, welche Konsequenzen das hat. Es ist nicht auszuschließen, dass manche seiner Anhänger dies als Aufruf zu Gewalt ansehen. Das ist das Tragische daran.
Das Verhältnis zwischen Politik und Medien ist immer spannungsgeladen und muss auch spannungsgeladen sein. Aber das ist ein Tiefpunkt, den es zumindest in den letzten Jahrzehnten in den westlichen Demokratien noch nicht gegeben hat.
ORF Steiermark: Sie haben Pädagogik, Soziologie und Psychologie studiert. Wie würden Sie von dem Standpunkt aus das Verhalten des US-Präsidenten beurteilen?
Zeiler: Medien haben eine Rolle in den Demokratien zu spielen und sie haben die Politik und die Politiker zu kontrollieren. Das ist die Aufgabe der Medien. Das ist auch eines der Prinzipien von CNN. Keiner der CNN-Journalisten wird sich davon abhalten lassen.
ORF Steiermark: Wie gefährlich ist dieses Verhalten des Präsidenten für die Demokratie in den Vereinigten Staaten insgesamt?
Zeiler: Es ist jedenfalls keine positive Entwicklung. Ich glaube nicht, dass die Demokratie in Gefahr ist, aber die Medien müssen auch in Zukunft die Rolle der Kontrolleure spielen – egal um welchen Präsidenten es sich handelt, egal ob es Republikaner oder Demokraten im Weißen Haus gibt.
ORF Steiermark: Die klassischen Medien haben vor Trump gewarnt. Sie waren allesamt im Lager von Hillary Clinton. War das nicht auch eine Abwahl der klassischen Medien in den Vereinigten Staaten?
Zeiler: So würde ich das überhaupt nicht sehen. Gerade nicht bei CNN. Dort hat man beiden Kandidaten ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu präsentieren. Ich glaube überhaupt, dass die Medien auf diese Wahl überhaupt nicht so viel Einfluss hatten, wie viele Leute glauben. Die Medien sind eine Funktion der Gesellschaft und sie können nur darstellen, was ist.
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Die Gründe, warum Trump zum Präsidenten gewählt wurde, sind andere. Der Wahlkampf der Demokraten war nicht unbedingt der beste und es hat dort eine gewisse Siegessicherheit gegeben. Die tieferliegenden Gründe waren, dass mit einem Teil der amerikanischen Gesellschaft - also die Globalisierungsverlierer, die, die ihre Arbeitsplätze verloren haben in Auto- und Stahlindustrie - nicht umgegangen wurde. Man hat sie nicht angesprochen und ihnen keine Hilfe angeboten. Andererseits haben auch die Migrationsbewegungen aus Mexiko und aus Lateinamerika und die Frage der Sicherheit eine Rolle gespielt.
Donald Trump hat diese Probleme in für sich geniale Art und Weise in zwei Slogans zusammengeführt: „America first“ und „We will make America great again“. Das heißt ja nichts anderes als „Wir werden dich, der du mich wählst, wieder wichtigmachen.“
ORF Steiermark: Trotz dieser Konflikte zwischen Trump und den Medien ist das auch eine Chance für die klassischen Medien: Zeitungen verzeichnen wieder höhere Abonnentenzahlen. CNN hat Einschaltquoten wie schon lange nicht mehr. Ist das nicht auch eine Chance für den Hintergrundjournalismus?
Zeiler: Es ist eine Bewährungsprobe, die zeigen wird, ob die Medien stark genug sind, das zu tun, wofür sie da sind: Nämlich Fakten aufzuzeigen, der Wahrheit verpflichtet zu sein und zu kontrollieren.
ORF Steiermark: Was kann Europa von Trump lernen?
Zeiler: Europa kann etwas daraus lernen, warum Trump gewählt wurde, wie er gewählt wurde - und wie er regiert. Ich glaube, dass die Ausgangsposition in vielen Ländern Europas ähnlich war und ist wie die in Amerika am 8. November 2016.
Sendungshinweis:
„Steiermark heute“, 4.7.2017
Europa muss sehen, dass wir ein bisschen mehr Gerechtigkeit in unsere europäische Welt bringen müssen, mehr Balance zwischen denen, die viel, und denen, die wenig haben. Nicht nur in jedem einzelnen Land, sondern auch zwischen Nordeuropa und Südeuropa.
Aber auf der anderen Seite muss Europa auch lernen, hellhörig zu sein für die Menschen, für die der Veränderungsprozess zu schnell passiert - und dass Wahlen auch über Emotionen entschieden werden. Das sind die zwei Faktoren, an denen viele europäische Parteien noch viel lernen können.
ORF Steiermark: Herr Zeiler, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Gerhard Koch, Chefredakteur ORF Steiermark
Link:
- Gerhard Zeiler (Turner)