Uni Graz: Nicht alle Narzissten sind selbstverliebt

Narzissten müssen nicht zwangsweise selbstverliebt sein - auch wenn das so wirkt. Forscher der Uni Graz fanden im Zuge einer neuen Studie heraus, dass hinter dem überzogenen Selbstbild bei Männern auch tiefe Verletzlichkeit stecken kann.

Nach außen hin sehr selbstbezogen bis selbstverliebt, ein Streben nach Bewunderung und eine geringe Fähigkeit zur Empathie: So treten Narzissten meist auf. Hinter einer solchen Persönlichkeit kann aber eine tiefe Verletzlichkeit stecken, haben Psychologen der Universität Graz herausgefunden. Die Ergebnisse einer Gehirnstudie wurden in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins „Nature Scientific Reports“ publiziert.

Verletzlichkeit statt Selbstverliebtheit

In der Wissenschaft gibt es aktuell zwei Erklärungsmodelle für die Entstehung von narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen. „Als Auslöser für die fast schon einschüchternde Selbstsicherheit und Selbstverliebtheit wird von Vertretern der sozialen Lerntheorie oft übertriebenes oder ungerechtfertigtes Lob in der Kindheit gesehen“, sagte Erstautor Emanuel Jauk gegenüber der APA.

Narzisst

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Nicht alle Narzissten sind selbstverliebt - das fand jetzt eine Studie der Uni Graz heraus

Andere Forscher wiederum würden annehmen, dass narzisstische Persönlichkeiten nur eine schillernde Fassade präsentieren, um ihre tiefere Verletzbarkeit zu verdecken, erklärt der junge Forscher, der im Arbeitsbereich für differentielle Psychologie am Institut für Psychologie der Uni Graz tätig ist.

Forscher beobachten Gehirnaktivität

In einer Gehirnstudie mit rund 40 Probanden bestätigt sich nun die Theorie um die Verletzlichkeit - zumindest dann, wenn es um Männer geht. Von den Testpersonen wiesen einige wenig narzisstische Züge auf, 13 waren hoch narzisstische Persönlichkeiten. Die Grazer Forscher beobachteten, welche Prozesse im Gehirn ablaufen, wenn den Probanden Fotos von sich selbst gezeigt wurden. Überprüft wurden die Gehirnaktivitäten mit der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI). Mit dieser Methode werden die Vorgänge in den jeweiligen Gehirnarealen sichtbar gemacht.

Theorie vom negativen Selbstbild bestätigt

„Nach der sozial-kognitiven Theorie, also der Lerntheorie, sollte das Betrachten von eigenen Fotos bei den sehr narzisstischen Probanden jene Gehirnbereiche aktivieren, die für Genussreaktionen oder ein starkes Verlangen verantwortlich sind“, beschrieb Jauk.

Die Auswertung der Hirnaktivität habe allerdings das Gegenteil gezeigt. Bei narzisstischen Persönlichkeiten mit negativem Selbstbild würden hingegen Regionen aktiviert werden, die für negative Affekte zuständig sind. So waren bei den hoch narzisstischen Probanden Regionen aktiv, die mit Schmerz und dem Gefühl sozialer Ausgrenzung in Verbindung gebracht werden - „auch wenn die Betroffenen das nicht auf bewusster Ebene bestätigen würden“, so der Autor.

Insgesamt würde dadurch die psychodynamische Theorie bestätigt, die sozialkognitive Theorie aber nicht widerlegt, betonte Jauk: „Wahrscheinlich spielen verschiedene Ursachen zusammen“, so der Grazer Psychologe.

Erkenntnisse treffen nur auf Männer zu

Allerdings gelten diese ersten Ergebnisse nur für Männer: „Bei den Frauen haben sich keine Unterschiede in der Hirnaktivität bei den mehr oder weniger ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeiten gezeigt“, berichtete der Forscher. Das könnte laut Jauk darauf hindeuten, dass sich das Phänomen bei den beiden Geschlechtern qualitativ unterschiedlich ausprägt.

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