Vertauschte Babys: OLG weist Schadensersatz ab

Im Fall der vermutlich vertauschten Babys am Grazer LKH hat es nun seitens des Oberlandesgerichts (OLG) eine Entscheidung gegeben: Der in erster Instanz bestätigte Anspruch auf 90.000 Euro Schadensersatz wurde abgewiesen.

Die Eltern und ihre nunmehr adoptierte Tochter klagten die Krankenanstaltengesellschaft (KAGes), weil keine finanzielle Einigung zustande gekommen war. In erster Instanz wurde den drei Familienmitgliedern jeweils 30.000 Euro an Schmerzensgeld zugesprochen - mehr dazu in Babys verwechselt: LKH Graz muss zahlen (12.6.2017) -, diese Entscheidung wurde nun durch das OLG aufgehoben.

Anwalt: „Verantwortung steht fest“

Bestätigt wurde aber, dass die KAGes die Kosten der Adoption - rund 3.500 Euro - zu tragen habe und außerdem für „alle zukünftigen Schäden aus der Kindesvertauschung haftet“, hieß es in der Aussendung. „Es steht somit fest, dass die Kindesvertauschung im Verantwortungsbereich der KAGes erfolgte, was für die Herrschaften eine große Genugtuung darstellt“, betonte der Anwalt der Kläger, Gunther Ledolter.

OLG: „Rechtliche Grundlage fehlt“

Für das Schmerzensgeld fehlt aus Sicht des OLG die rechtliche Grundlage, erklärt der Vizepräsident des Oberlandesgerichts Graz, Andreas Haidacher: „In diesem konkreten Fall, wo die psychische Belastung darin besteht, dass man erkennen musste, nicht blutsverwandt zu sein, hat das Oberlandesgericht entschieden, dass keine so schwere psychische Belastung, wie sie etwa bei einem Verlust eines Angehörigen entstanden ist, vorliegt und daher kein gesetzlicher Anspruch auf Schmerzengeld besteht.“

Die heute junge Frau kam am 31. Oktober 1990 im Grazer LKH als Frühchen zur Welt. Mit 22 Jahren erfuhr sie durch Zufall bei einer Blutuntersuchung, dass sie nicht das leibliche Kind ihrer Eltern sein kann. Ihre Mutter hatte per Kaiserschnitt entbunden und ihre Tochter erst nach rund 20 Stunden das erste Mal gesehen. Die Familie ist davon überzeugt, dass in diesen Stunden im Spital eine Verwechslung passiert sein muss, später sei es nicht mehr möglich gewesen. Anfang 2016 ging die Familie an die Öffentlichkeit, weil man das zweite vertauschte Mutter-Tochter-Paar finden wollte, was bisher nicht gelungen ist - mehr dazu in Vertauschte Babys: 30 Frauen machten Test (12.1.2017).

Kein Vergleich: Ordentliche Revision zugelassen

Das OLG folgte nun der Rechtsauffassung, dass für den Anspruch auf Schmerzengeld eine Körperverletzung vorliegen muss. Als Körperverletzung wertet der Gesetzgeber auch eine schwere psychische Belastung nach einem Todesfall - die Kindesvertauschung sei aber nicht als eine solche einzustufen: „Es sind alle drei Kläger - also Mutter, Vater und Kind - ja nicht krank, haben keine Erkrankung erlitten, sondern es ist praktisch hier nur eine Analogie zu einer besonders intensiven psychischen Belastung erforderlich. Zu dieser Frage gibt es eben noch keine Judiaktur, und aus diesem Grund hat das Oberlandesgericht auch diese Revision an den obersten Gerichtshof für zulässig erklärt“, sagt Andreas Haidacher.

Anders ausgedrückt: Es gibt keinen vergleichbaren Fall, und der oberste Gerichtshof hat das letzte Wort - der Anwalt der betroffenen Familie will dementsprechend weiterkämpfen. Der Fall könnte bereits ab November beim OGH in Wien behandelt werden, aber voraussichtlich erst nächstes Jahr wird dann entschieden werden, ob die Familie tatsächlich Schmerzengeld bekommt oder nicht. Die KAGes sieht sich bestätigt, dass kein Schmerzengeld gezahlt werden muss und prüft das Urteil derzeit.