Deutscher Serienkiller: Grazer Arzt Zeuge

Nach den mutmaßlich mindestens 90 Morden eines Krankenpflegers in Deutschland gibt es schwere Vorwürfe gegen neun damalige Klinikverantwortliche. Ein nun in Graz tätiger Herzchirurg leitete eine Station des Pflegers.

Klinikum Oldenburg

APA/AFP

Der mittlerweile in Graz tätige Arzt war jahrelang Leiter der Herzchirurgie am Klinikum Oldenburg

Der Arzt aus Österreich war viele Jahre ärztlicher Leiter der Herzchirurgie am Klinikum Oldenburg und daher mitverantwortlich für die Intensivstation 211 - dort sind 36 Sterbefälle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Tathandlungen des Pflegers zurückzuführen, schreiben Polizei und Staatsanwaltschaft Oldenburg in einer Aussendung.

Der Pfleger habe den Patienten fünf unterschiedliche gefährliche Medikamente verabreicht, vermutlich um sich bei Reanimationen als heldenhafter Retter zu beweisen, doch mindestens 36 Patienten starben - mehr dazu in Pfleger tötete Dutzende Patienten (news.ORF.at).

Schon mehrfach als Zeuge ausgesagt

Der damals leitende Herzchirurg, der mittlerweile am LKH Graz arbeitet, sagte schon mehrfach als Zeuge vor Gericht aus und schilderte den Übereifer des Pflegers: Niels H. habe sich vorgedrängt und sei „überdurchschnittlich häufig“ bei Reanimationen beteiligt gewesen, aber das habe auch auf andere Kollegen zugetroffen, so der Arzt beim Prozess im Jahr 2015 laut dem damaligen Bericht des Spiegel.

Auffällig seien Niels H.s Gefühlsausbrüche nach Todesfällen gewesen: Mehrfach, so der Chirurg, habe er die Pflegeleitung aufmerksam gemacht, aber die habe das überschwängliche Engagement nicht negativ ausgelegt.

Weniger Todesfälle während Urlaubs

2002 wurde Niels H. zuerst auf die Anästhesie Oldenburg versetzt, dann kündigte er laut Staatsanwaltschaft nach diversen Personalgesprächen. Der Vorwurf von Opferanwältin Gaby Lübben: „Es gab scheinbar ja dann auch eine Mitarbeiterversammlung, aufgrund deren dann Herr H. gesagt hat, ich nehme jetzt einmal Urlaub. Plötzlich hatten wir nur noch zwei Todesfälle in dieser Zeit, und dann ist er wieder da, und wir haben 14 Reanimationen. Und wenn ich ihn dann mit einem guten Arbeitszeugnis weglobe, dann ist das für mich auch Totschlag durch Unterlassung, und da werden sich die Oldenburger verantworten müssen.“ Im Anschluss arbeitete Niels H. am Städtischen Krankenhaus Delmenhorst - hier soll er für mindestens 54 Todesfälle verantwortlich sein.

Erste Verdachtsmomente schon 2001

Die heutigen Verantwortlichen des Klinikums Oldenburg schreiben in einer Aussendung, es sei nicht nachvollziehbar, warum ihre Vorgänger die Ermittlungsbehörden nicht schon 2001/2002 eingeschaltet hätten: Damals habe es erste Verdachtsmomente gegeben und eine Aufzeichnung, wonach während der Schichten von Niels H. die Sterberate und die Zahl der Reanimationen gestiegen sei.

LKH Graz: Herzchirurg „zutiefst betroffen“

Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln gegen drei frühere Oldenburger Verantwortliche. Der Vorwurf „Totschlag durch Unterlassung“ bedeutet rechtliches Neuland, auf Totschlag stehen in Deutschland mindestens fünf Jahre Haft. Wer die Beschuldigten sind und ob der nun in Graz tätige Chirurg darunter ist, gibt die Staatsanwaltschaft nicht bekannt. Das LKH Graz schreibt in einer Aussendung, der Herzchirurg sei zutiefst betroffen über die bekannt gewordenen Ermittlungsergebnisse, er wolle sie aber nicht öffentlich kommentieren.

Link: